Toedliches Verlangen
er im Knick zum Liegen kam, streckte er den Arm aus und griff nach dem Buch, das offen auf seinem Tisch lag. Das ledergebundene Manuskript war seine Bibel, 179 Seiten Formeln und hingeworfene Notizen voller Geheimnisse, die er noch entschlüsseln musste. Seine Mundwinkel zogen sich nach oben, als er die Eselsohren mancher Seiten glättete und liebevoll darüberstrich. Er liebte die Struktur des Papiers … und die Blutflecken.
Hmm, ja. Das drei Jahre alte Blut versetzte ihn immer noch in Verzückung, wenn er es berührte. Jeder Tropfen erinnerte ihn an den Kampf. In jener Nacht hatte er seinen Trumpf gespielt – hatte das in den Kreisen des Drachenbluts Unaussprechliche getan –, um das Tagebuch zu bekommen. Das eine, das er gemeinsam mit den sechs anderen sicher in seinem Safe aufbewahrte.
Obwohl – wenn er noch einmal zurückkönnte, hätte er die Wissenschaftlerin mitgenommen, anstatt sie in ihrer Küche aufzuschlitzen. Hätte er gewusst, wie schwierig die Genomtypisierung sein würde … allein die Mühe, ihre Aufzeichnungen zu entziffern und das Serum herzustellen! Zur Hölle. Er hätte sie eingesperrt und den Schlüssel weggeworfen. Sie gezwungen, in seinem Labor zu arbeiten, bis sie einen Weg gefunden hätte, dem Drachenblut weibliche Nachkommen zu bescheren.
Mit ihrer Expertise hätte sie es vielleicht geschafft. Aber sie war nicht mehr da, und er musste alleine auf die Antworten kommen. Er musste einen Weg finden, die Drachen- DNA zu knacken und zu modifizieren. Das Problem? Die Magie war ein ziemlich perfekter Schutzmantel, und solange sie ihre Tentakel um die Vierfach-Helix der Chromosomen wand, kämpfte er auf verlorenem Posten.
Aber nicht mehr lange.
Seine letzte Formel hatte vielversprechend ausgesehen; das Potenzial besessen, die genetischen Marker zu durchbrechen und den Männern seiner Art zu gestatten, Töchter zu zeugen. Das Drachenblut brauchte eigene Frauen. Ohne sie wäre seine Art weiterhin von den Menschen abhängig. Was bedeutete, er konnte sie nicht alle umbringen. Jedenfalls nicht, wenn er sein Volk vor dem Verhungern bewahren wollte.
Und hier saß er nun … wieder am Anfang. Begann von vorne.
Geduld war der Schlüssel. Geduld und ein wasserdichter Schlachtplan.
Schritt eins? Zuchtzentren aufbauen, sowohl in seinem Hauptquartier als auch in Europa. Wenn er die Menschen nicht alle auf einmal vernichten konnte, würde er sie eben benutzen … sie züchten, um seine Brüder zu nähren, während er Genome entschlüsselte und Antworten fand. Nur die stärksten Menschen würden in den Zellen Platz finden und dafür sorgen, dass die Blutlinien rein blieben und der weibliche Nachwuchs über die beste Energie verfügte. Wenn die Zentren erst einmal voll waren und die Produktion begonnen hatte, würde er seine Superbazillen loslassen und die schwächsten Teile der Menschheit vom Angesicht der Erde tilgen.
Hmm. Er liebte gute Pläne. Apropos, sein Labor wartete. Zeit, Phase eins einzuleiten.
Ivar legte den Stift beiseite und schlug beide Notizbücher zu. Mit den Bänden in der Hand lehnte er sich vor und öffnete die hölzerne Kiste auf seinem Schreibtisch. Ein schmales Edelstahlröhrchen glitzerte im Licht der Deckenlampe. Ivar summte leise, als er es aufhob. Er wiegte das Ding zwischen Daumen und Zeigefinger und musterte den runden Behälter. Er sah so gewöhnlich aus. Vollkommen unauffällig, aber mit tödlichem Inhalt.
Mit einem Lächeln umschloss er das Röhrchen mit der Faust. Mann, er konnte es kaum erwarten zu sehen, wozu seine kleinen Monster in der Lage waren.
Er hob die Stiefel vom Tisch und achtete nicht auf das Quietschen seines neuen Lehnstuhls, als er aufstand. Seine Schritte hallten über den Betonfußboden, während er um den Tisch herum auf die Tür zuging.
Als er den Flur betrat, nahm er Kontakt zu seinem Stellvertreter auf. »Lothair … Status?«
»Fünf in der Kammer. Wir können loslegen« , sagte er, das leise Piepsen der Computer im Hintergrund. »Wann?«
»Fünf Minuten. Versiegele die Tür.«
Vorfreude trug Ivar in Richtung der luftdichten Kammer. Apartment wäre wohl die bessere Bezeichnung. Die Räume boten genug Platz für neun Personen und waren exklusiv eingerichtet: weiche Betten, drei geräumige Badezimmer und eine voll ausgestattete Gourmet-Küche mit Durchgang in ein exklusives Wohnzimmer. Jawohl, für seine Laborratten nichts als das Beste. Schließlich war es nur fair. Es wäre ungerecht, sie die Qualen ihres langsamen Todes in ärmlicher
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