Toedliches Verlangen
Pingpong mit dem Echo, während er am Aufzug vorbeiging. Der Lift Marke Otis war ein Genuss fürs Auge, Venom hatte ihn gerade erst eingebaut. Ein bewundernswertes Beispiel moderner Effizienz. Bastian hasste die verstärkte Stahlbox. Enge Räume machten ihn nervös … aggressiv sogar. Niemals würde er freiwillig in diesen Käfig steigen.
Er schob Myst auf seinen Armen ein Stück zur Seite und gab einen Code ein, wartete auf das bestätigende Piepen und drückte dann die Sicherheitstür auf, die zum breiten Treppenhaus führte. Er nahm immer zwei Stufen auf einmal, sein Rhythmus war gleichmäßig, der Aufstieg sanft. Myst hatte mittlerweile begonnen zu träumen, er konnte ihre Augenbewegungen sehen. Es wäre eine Schande, sie jetzt aufzuwecken.
Bastian redete sich ein, er sei rücksichtsvoll, dass sie ihre Ruhe brauche. Die Wahrheit jedoch sah anders aus. Denn in der Sekunde, in der sie die Augen aufschlug, würde er über sie herfallen. Ein Kuss würde zum nächsten führen und dann? Hätte er verloren. Over and Out, mit großem O. Und aus irgendeinem Grund wollte er das Richtige tun … was auch immer das war. Aber ganz sicher bedeutete es nicht, sie in ihrem erschöpften Zustand auszunutzen.
Vier Tage.
Sechsundneunzig Stunden.
Fünftausendsiebenhundertsechzig Minuten.
Bevor der Meridian sich wieder ausrichtete.
Dann würde er Myst unter sich haben, wäre in ihr … würde sie zum Schreien bringen ob wahnsinniger, orgastischer Lust. Bis dahin würde er abwarten, sie besser kennenlernen. Der Plan war gut. Zumindest bis er an die Konsequenzen dachte. Dann löste er sich in nichts auf, denn Bastian wusste, dann würde alles durcheinandergeraten – und es gab keine Chance, die Sache unbeschadet zu überstehen.
Eine Tragödie.
Zweifellos, doch als Bastian die Tür am Ende der Treppe aufstieß und sich in Richtung seiner Suite wandte, verweigerte sein Gehirn die Arbeit. Während er an unbezahlbaren Gemälden vorüberschritt – Jackson Pollock, Picasso, van Gogh –, musste er all seine Kraft zusammennehmen, um an seiner eigenen Tür vorüberzugehen und dem Flur weiter zu folgen. Das Lavendelzimmer lag gleich links neben seinem, nahe, aber nicht nahe genug. Mit ihr auf demselben Flur zu schlafen reichte ihm einfach nicht. Sein Instinkt sagte ihm, dass ihn nichts zufriedenstellen würde, bis sie in seinem Bett schlief.
Er wollte sie bei sich haben, wenn auch nur, um sich an sie zu schmiegen. Sie im Arm zu halten, während sie schlief, wäre himmlisch. Das wusste Bastian mit einer Sicherheit, die ihn mitten ins Herz traf. Sein Verlangen strafte all das Lügen, was man ihm erzählt hatte. Alles, was sein Vater und die Krieger, die sich nach dessen Ermordung Bastians angenommen hatten, ihn gelehrt hatten. Die schmerzhafte Erinnerung brachte ihn wieder in die Gegenwart zurück, erinnerte ihn an sein Ziel, die Entschlossenheit aber, die sie sonst in ihm geweckt hatte, fehlte.
Die Frau in seinen Armen setzte alles außer Kraft, berührte sein Innerstes. Und fast hätte er nachgegeben, eine Hundertachtzig-Grad-Drehung hingelegt und sie mit auf sein Zimmer genommen.
Bastian stand bewegungslos im Flur, eine Rembrandt-Landschaft starrte ihm entgegen, und kämpfte mit sich.
Nein … nein, nein, nein. Myst würde es nicht gefallen, neben ihm aufzuwachen. Dafür war sie noch nicht bereit, also zwang er seine Füße, sich in Bewegung zu setzen. Überredete seine Hand dazu, den Türknauf zu ihrem Schlafzimmer herumzudrehen. Nötigte sich, über den weichen Teppich zum gegenüberliegenden Badezimmer zu gehen. Erst hier warf er einen Blick auf das wertvolle Geschenk, welches das Schicksal ihm in die Arme gelegt hatte.
Erschöpft durch den Energieverlust hatte sie sich zusammengerollt wie ein Kätzchen: mit geschlossenen Augen, die Wange an seiner Brust, schmiegte sie sich warm an ihn. Bastian fühlte, wie ihm ein wenig leichter ums Herz wurde. Der Kontrast amüsierte ihn: Wach war sie wild und geradezu grausam direkt. Schlafend war sie verletzlich, so süß, dass er sie für immer festhalten und beschützen wollte.
Bastian seufzte. Er war verloren.
Er verlagerte ihr Gewicht und griff mit einer Hand in die verglaste Dusche, um das Wasser anzudrehen. Er sollte das nicht tun, aber …
Verdammt, er konnte sie doch nicht so ins Bett legen … mit dem Schmutz der Nacht und dem Blut einer anderen Frau auf der Haut.
»Myst.« Er küsste sie auf die Schläfe und stieß sie sanft an. »Wach kurz auf für mich,
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