Toedliches Verlangen
hinüber. Der Säugling protestierte lautstark und schwenkte seine kleinen Fäuste über der Decke, als Bastian ihn von der Schulter nahm und ihr reichen wollte. »Er steht heute Abend nicht besonders auf mich.«
»Oder auf sonst irgendwen«, murmelte einer der vier.
Myst lächelte. Sie konnte nicht anders. Die Vorstellung, dass diese großen, harten Kerle Probleme mit einem winzigen Säugling hatten, ließ sie normal wirken. Na gut, nicht ganz, aber ihr Murren war Musik in ihren Ohren. Genauso wie die tiefen Schatten unter Bastians Augen, als er ihr so nahe kam, dass sie sie sehen konnte.
»Bist du den ganzen Tag über mit ihm auf den Beinen gewesen?«
»So ziemlich«, sagte er und klang so müde, wie er aussah.
Schön. Gerechtigkeit. Sie hatte vielleicht ohne ihre Zustimmung geduscht, aber er hatte kein Auge zugetan. Auch wenn es kein ganz fairer Deal war, so kam er dem doch ziemlich nah. »Hat er schon gegessen?«
Bastian nickte. »Vor einer Stunde.«
Sie hob die Arme und nahm den Säugling in Empfang, fühlte, wie ihr Herz höherschlug, als sein warmer Körper in ihren Armen lag. Mitten in einem Schluchzer verstummte er, als wüsste er, wer ihn hielt, und freue sich, sie zu sehen. Myst begrüßte ihn mit sanfter Stimme, während sie ihn untersuchte, seine Vitalzeichen überprüfte und sich versicherte, dass sein Herz kräftig schlug. Das Gesichtchen rot nach dem Wutanfall, protestierte er leise auf Baby-Art, verstummte dann, blinzelte und sah sie mit ernstem Blick an, als wolle er sagen: »Wie konntest du mich einfach so alleine lassen?«
Ein Raunen lief durch die Küche.
»Wow«, sagte einer der Männer.
»Wie hat sie das gemacht?«
»Das wüsste ich auch gerne«, antwortete eine dritte Stimme, Bewunderung lag in jeder Silbe. »Wahrscheinlich diese ganze Energie.«
Myst ignorierte sie und fuhr sanft mit der Fingerspitze über die Wange des Babys. Mit einem letzten Schniefen drehte es den Kopf zu ihr und schloss die Augen, während sie flüsterte: »So ist es gut. Schlaf, mein kleiner Engel. Ich bin bei dir.«
Mit einem Seufzen, das verdächtig nach Erleichterung klang, spähte Bastian über ihre Schulter. »Du kannst gut mit Babys.«
»Ich liebe sie.«
»Gut«, sagte er, seine Stimme so sanft, dass sie ihn kaum hören konnte.
Irgendjemand räusperte sich, und Bastian trat zurück, gab ihr wieder Raum zum Atmen.
»Myst … du erinnerst dich an Rikar und Sloan?« Bastian neigte den Kopf leicht in Richtung seiner Männer, drehte sich zur Seite und lehnte sich neben ihr an die Theke. Die riesigen schwarzen Stiefel übereinandergeschlagen, zeigte er auf den größten der Männer. »Das ist Venom. Und da hinten sitzt Wick.«
Sie nickte. Was sollte sie sonst auch tun? Rikar mit seinen hellen Augen und dem dunkelblonden Haar hätte sie ohnehin nicht vergessen. Der mokkahäutige Sloan war umwerfend mit Ausrufezeichen. Venoms verschmitzter Blick und sein offenes Lächeln waren auch nicht zu verachten. Alle drei hatte Myst in der Klinik gesehen, als sie Rikar behandelt hatte. Aber der vierte?
Er jagte ihr Angst ein.
Es war nicht sein Aussehen. Wick sah genauso gut aus wie die anderen drei, aber … diese Augen. Irgendetwas an diesem goldenen Glanz ließ all ihre Alarmglocken schrillen. Sie hatte immer gedacht, Gold sei eine warme Farbe. Wick bewies ihr das Gegenteil. Sein Blick war stechend wie der eines Greifvogels, seine Augen leblose Höhlen, die fast schon grausam wirkten. Seine gesamte Körpersprache – ohne die kleinste Bewegung saß er da – schrie nach Raubtier.
Myst rückte ein Stück näher an Bastian heran und dachte darüber nach, dass sie den Typen eher hätten Lunte nennen sollen, nicht Wick. Anzünden und auf die Explosion warten. Kabumm.
»Hast du Hunger? Vielleicht ein paar Waffeln?« Bastian stieß sie mit der Schulter an, als er sich zur Seite beugte, um einen weißen Teller hochzuheben. Er schubste sie sanft mit der Hüfte und drängte sie in Richtung Kücheninsel. »Setz dich, Bellmia. «
Hinsetzen? Gegenüber Wick mit dem Killerblick? Auf gar keinen Fall. »Äh, also, ich bin gar nicht so hung…«
»Hier.« Venom stand auf und klopfte auf seine Stuhllehne. »Du kannst meinen Platz haben, Myst. Ich bin sowieso fertig.«
Okay. Was jetzt … was jetzt?
Weglaufen klang gut, war aber auch ziemlich unhöflich. Außerdem, wenn sie jetzt ging, würde sie nichts gewinnen, außer dem, was sie bereits besaß: einen Überblick über den Flur, während sie eine ganze Landkarte brauchte
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