Tödliches Wasser: Roman (German Edition)
zur politischen Zielscheibe der Inneren Sicherheit geworden. Die beiden nahmen diese Vorgabe natürlich bereitwillig auf, indem sie dem Geheimdienst die gewünschten ›Informationen‹ lieferten.«
»Ein echter Geniestreich, Oberinspektor Chen! Es ist in diesem Betrieb ja durchaus üblich, dass selbst an Sonntagen bis spät gearbeitet wird. Das galt auch für Mi und Fu. Ich habe selbst kurz darüber nachgedacht, aber erst Ihre Analyse rückt all diese Einzelheiten an ihren Platz.«
»Es war auch Glück dabei«, räumte Chen ein, »wenn man bedenkt, wie viele falsche Fährten ich verfolgt habe. Hätte Mi jetzt nicht bei Fu angerufen, wären wir allein auf Indizien angewiesen – damit könnten wir die Innere Sicherheit und die Justiz niemals überzeugen.«
»Nur eine Frage noch, Chef. Wie sind Sie an die Bilder aus Shanghai gekommen? Die haben ihr den Rest gegeben.«
»Ich hatte Hauptwachtmeister Yu gebeten, sich über Frau Lius Shanghaier Hintergrund zu informieren, und nebenbei auch Fu erwähnt. Damals hegte ich noch keinen Verdacht gegen ihn, das kam erst später. Aber irgendetwas gefiel mir nicht; unbewusst vermutlich. Die Tatsache, dass er so oft nach Shanghai fuhr, hat mich neugierig gemacht; genau wie bei Frau Liu. Erinnern Sie sich noch, wie er damals im Büro zu uns sagte, er sei letzten Samstag in Shanghai gewesen und fahre dieses Wochenende wieder hin? Tut man so etwas in einer Phase, in der es im Betrieb besonders hektisch zugeht? Ich hatte auch das Gefühl, dass Fu unser Gespräch mit Mi abwürgen wollte. Jedenfalls sind Yu und Peiqin ihm aus freien Stücken gefolgt. Es war ein Glückstreffer. Ohne die Hilfe der beiden – und natürlich Ihre wertvolle Unterstützung – hätte ich die Einzelteile niemals zusammenfügen können.«
»Also was mich betrifft, brauchen Sie das wirklich nicht zu sagen, Chef.«
Chen stand abrupt auf. »Zeit zu handeln, Huang. Übergeben Sie jetzt Mi Ihren Kollegen und kümmern Sie sich dann um Fu. Zu viele Träume für eine lange Nacht , wie das Sprichwort sagt.«
»Ja, wir müssen die Sache anpacken, bevor uns die Innere Sicherheit im Namen der Partei noch mehr Steine in den Weg legt. Ich besorge einen Haftbefehl für beide.«
»Gut, und lassen Sie Fus Wohnung gründlich durchsuchen, bevor er Beweismaterial vernichten kann.«
»Ich weiß, was zu tun ist, Chef. Seine Wohnung ist nicht groß, und wir werden sie ordentlich umkrempeln.« Mit wachsender Erregung fuhr er fort: »Sie erwähnten den Umstrukturierungsplan. Liu hätte natürlich an jenem Abend auch einfach so am Schreibtisch sitzen können, aber wir haben die entsprechenden Unterlagen nie gefunden. Ebenso wenig hat Mi sie als vermisst gemeldet. Jetzt ist mir klar, warum.«
»Ach ja, der Umstrukturierungsplan – und nicht nur der …«
In dem Moment gab Huangs Handy einen ungewohnten Klingelton von sich. Eine SMS von seiner Ermittlungsgruppe. Huang zeigte sie Chen.
»Jiang geht morgen ins Gefängnis, mit offizieller Anklage wegen Mord an Liu. Anfrage der Inneren Sicherheit: Wer ist der Mann, mit dem Sie in Chemiefabrik Befragungen durchgeführt haben?«
»Zum richtigen Zeitpunkt«, bemerkte Huang mit sarkastischem Grinsen. Er machte keine Anstalten, die Botschaft zu beantworten. »Keine Sorge, Chef. Diesmal schlagen wir sie. Ich habe das Notizbuch immer bei mir, in dem ich am Tatort alle Punkte aufgeschrieben habe, die Sie damals erwähnten.«
»Wenn Sie mit Ihrem Team dort sind, dann lassen Sie mich besser aus dem Spiel. Es ist Ihre Ermittlung, nicht meine.«
»Aber wie soll das gehen, wo die Innere Sicherheit schon nachgefragt hat?« Huang sah Chen besorgt an.
»Tun Sie Ihr Bestes.«
23
ALS OBERINSPEKTOR CHEN erwachte, fühlte er sich ziemlich verkatert.
Er setzte sich im Bett auf, presste die Finger gegen die Schläfen und sah aus dem Fenster. Der See war noch in Nebel gehüllt, hin und wieder zwitscherte ein einsamer Vogel in den Bäumen.
Statt auf den Zimmerservice zu warten, kochte er sich selbst eine Tasse starken schwarzen Kaffee.
Der gestrige Tag war einfach zu hektisch gewesen, dachte er, während er den frisch gebrühten Kaffee in kleinen Schlucken trank.
Im Anschluss an die letzten Worte ihres Gesprächs im Bambuswäldchen war Huang rasch in die Villa zurückgekehrt und hatte Mi den herbeigerufenen Polizisten von Wuxi übergeben. Sein Ermittlerteam hatte er damit beauftragt, unterdessen Fu in seinem Büro im Chemiewerk festzuhalten. Den Durchsuchungsbefehl für dessen Apartment
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