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Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu. Xiaolong
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auch die Behörden unter Druck geraten und hätten den Vorwürfen gegen die Chemiefabrik nachgehen müssen. Damit hätte Liu seine Erfolgsaussichten begraben können.«
    »Das ist wahr. Aber Liu war ein cleverer Geschäftsmann.«
    »Zurück zu Mi oder, besser gesagt, zu den vagen Vermutungen, die mir bei meinem ersten Besuch am Tatort gekommen sind«, sagte Chen; seine Finger betasteten die Spitze eines jungen Bambusschösslings neben seinem Fuß. »Nachdem ich das Szenario der Inneren Sicherheit also ausschließen konnte, musste ich mir eine eigene These zurechtlegen. Wie wäre es, wenn Liu bereits im Tiefschlaf oder gar bewusstlos war, als der Mörder zuschlug? Damit lässt sich eine Vielzahl von Einzelheiten erklären, zugleich aber stellen sich neue Fragen. Wem war es möglich, in die Wohnung zu gelangen, während Liu schlief? Wer war in der Lage, Liu in Schlaf zu versetzen und dann den Schlag auszuführen? Oder wer konnte die Tür für jemand anderen offenlassen? Außerdem muss man die Wucht des Schlages und die Menge des Schlafmittels in Betracht ziehen. Und dann deutet alles auf eine Person hin. Diese Person musste ihm nahestehen, sehr nahe, und sie musste seine Pläne für den Abend kennen.«
    »Mi, seine kleine Sekretärin«, ergänzte Huang. »Nur sie hatte auch abends Zutritt zu dem Apartment und erregte kein Misstrauen. Es dürfte ihr auch nicht schwergefallen sein, Liu ein paar Schlaftabletten in seinen Drink zu tun.«
    »Aber genau da ist der blinde Fleck. Jeder wusste, dass sie seine kleine Sekretärin war. Vor ihm war sie ein Nichts, ein Mädchen aus einem Massagesalon. Wieso sollte sie ihn also umbringen? Geldgierig, wie sie ist, hätte sie sich damit ins eigene Fleisch geschnitten. Demnach ist sie die Letzte, die man in einem Mordfall verdächtigen würde.
    Und noch ein weiterer Punkt bewahrte sie vor dem Tatverdacht. Das unerschütterliche Alibi, das sie für diesen Abend hatte – es stammte von Fu, und damit lieferte sie zugleich eines für ihn.«
    »Chef, ich komme mir vor wie der letzte Trottel aus Ihren Krimiübersetzungen. Ich dachte doch tatsächlich die ganze Zeit, dass Sie Frau Liu im Visier hätten.«
    »Hatte ich ja auch eine Zeitlang, denn die ebengenannten Punkte trafen genauso auf sie zu. Sie musste als tatverdächtig gelten, denn sie hatte die Möglichkeit und die Mittel und, angesichts von Lius Untreue, auch ein Motiv. Zudem waren da ihre häufigen Fahrten nach Shanghai – am fraglichen Wochenende sogar gleich zwei; das war verdächtig. Allerdings fragte ich mich: Warum gerade jetzt? Sie hat doch schon seit langem von Lius Affären gewusst. Also nahm ich Kontakt zu ihrem Anwalt auf; von ihm und aus anderen Quellen erfuhr ich, dass Liu keinesfalls die Absicht hegte, sich von seiner Frau scheiden zu lassen. Im Gegenteil, jetzt, wo der Sohn bald nach Wuxi zurückkommen sollte, schien sich das Familienleben wieder zu stabilisieren. Dennoch gab es einiges, was der Klärung bedurfte, etwa ihre häufigen Shanghai-Fahrten. Ich beschloss, dem nachzugehen, und bei den Nachforschungen stieß ich auf etwas völlig anderes.«
    »Was denn?«
    »Frau Liu war als Mädchen angeblich der Schwarm der ganzen Schule gewesen. Konnte sie aus dieser Zeit also noch einen Verehrer haben? Sie mögen einwenden, dass sie nicht mehr die Jüngste ist, aber ich hatte mal einen Fall, wo ein zu Geld gekommener Mann noch zwanzig Jahre später eine Frau liebte, die er zu Beginn der Kulturrevolution mit einem roten Herzen aus Papier den Loyalitätstanz für Mao hatte tanzen sehen, auch wenn mittlerweile ihr Leben und ihre Schönheit von den Zeitläuften zerstört worden waren. Aber zurück zu Frau Liu. Egal wie unwahrscheinlich diese Möglichkeit auch war, sie hätte erklärt, warum sie Lius Untreue all die Jahre ertrug und selbst so häufig nach Shanghai fuhr. Dank der Bemühungen meines Partners Yu und seiner Frau Peiqin erkannte ich schließlich, dass ich auf dem Holzweg war.«
    »Dann hat Hauptwachtmeister Yu in dieser Sache also auch mit Ihnen zusammengearbeitet?« Huang konnte sich seine Verwunderung nicht verkneifen.
    »Nein. Ich hatte ihn lediglich gebeten, Frau Lius Hintergrund in Shanghai abzuklären. Das war alles. Menschen sind komplexe Wesen und können Dinge tun, die anderen völlig unerklärlich und damit verdächtig erscheinen. Versetzt man sich dann aber in die Rolle der Handelnden, wird plötzlich alles ganz logisch. Aber das ist eine andere Geschichte«, sagte Chen und stand auf, den Blick hinauf

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