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Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu. Xiaolong
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oder?«
    »Das weiß ich nicht. Aber mit Sicherheit wusste sie von der ›kleinen Sekretärin‹.«
    Der Sampan schlingerte plötzlich, so dass Shanshan nach vorn geschleudert wurde und sich an seiner Schulter festhalten musste.
    »Erzähl mir von deinem Streit mit Liu. Das war, wie ich gehört habe, etwa eine Woche vor seinem Tod.«
    »Du hast ganz schön viel gehört, Chen. Ja, wir haben uns mehrmals gestritten. Für Liu stand der Profit über allem anderen. Das war sein Erfolgsrezept. Er war nicht nur Geschäftsführer, sondern auch ein Flaggschiff für Chinas Reformpolitik. Für jemand wie ihn war es daher von entscheidender Bedeutung, die Produktion um jeden Preis voranzutreiben. Ich dagegen hatte meinen Job als Umweltschutzbeauftragte zu erledigen.«
    »Und das war auch richtig so.«
    »Aber an jenem Tag – das war vor einer Woche – ist er ausgerastet und hat mich in seinem Büro angeschrien. Einige Leute haben das gehört.« Dann fügte sie mit leiser Stimme hinzu. »Ich möchte ja nicht schlecht von ihm reden, jetzt, wo er tot ist.«
    Einen Augenblick blieb es still. Erneut sprang ein Fisch und fiel platschend ins Wasser zurück. Sie befanden sich jetzt ungefähr in der Mitte des Sees.
    »Das da drüben ist die Chemiefabrik Nr. 1«, sagte sie unvermittelt und deutete auf das Ufer zu ihrer Linken. »Da drüben kann ich dir was zeigen.«
    Chen stand auf und gab dem Bootsführer eine entsprechende Anweisung.
    »Was wollen Sie denn dort?«, fragte der Mann ungläubig, denn die Stelle lag fernab der üblichen Besichtigungsroute. Kaum ein Tourist verirrte sich dorthin.
    Doch er tat, wie ihm geheißen.
    »Hier bleiben wir eine Weile«, verkündete Shanshan, als sie angekommen waren, und zu Chen sagte sie: »Sieh dir das Wasser einmal genauer an.«
    Chen hatte bereits eine Veränderung der Farbe wahrgenommen, je näher sie dem Chemiewerk kamen. Doch damit nicht genug. Ein großer Teil der Wasseroberfläche war von einem schwärzlich grünen Film bedeckt. Dicht und zähflüssig dehnte er sich bis weit in den See hinaus. So etwas hatte er weder zu Hause im Huangpu noch in irgendeinem anderen Fluss gesehen.
    »Siehst du das dort drüben, was wie ein Damm aussieht?«
    »Wozu soll das gut sein?«
    »Dieses eklige grüne Zeug mag ja hier, wo kein Tourist hinkommt, noch vertretbar sein, nicht aber in der Nähe des Parks oder gar des Erholungsheims. Der Damm soll Gästen wie dir den Anblick ersparen.«
    Shanshan kam ihm jetzt verändert vor. Sie sprach ganz offen über die Probleme und deren Verursacher. Allerdings war sie nach ihrer vorübergehenden Verhaftung kein verlässlicher Informant für die Ermittlungen mehr. Doch er verdrängte diesen Gedanken gleich wieder.
    »Und das ist nicht mal das Schlimmste«, fuhr sie fort. »Ein paar Kilometer weiter könntest du noch ganz andere Sachen sehen.«
    »Ich habe gerade einen Artikel darüber in der Zeitung gelesen. Angeblich soll der Algenbefall ein Problem sein, das es hier im See immer wieder mal gegeben hat.«
    »Wie kannst du glauben, was in den Parteiblättern steht? Die würden diese Umweltkatastrophe doch niemals mit industrieller Verschmutzung in Zusammenhang bringen. Früher hat man vielleicht hin und wieder einen grünen Algenfleck gesehen. Das hatte damit zu tun, dass sich wetterbedingt die Nährstoffe im See angereichert haben. Aber das hat die Wasserqualität insgesamt nicht beeinträchtigt. Kein Vergleich mit dem hier.«
    Sie war aufgebracht und versuchte, ihre Arbeit zu rechtfertigen, was ihm gegenüber gar nicht nötig war. Er wusste ja, dass sie das Richtige tat. Dennoch wollte er die Stimmung ein wenig aufhellen.
    »Ich bin kein Experte, mich hat das Wasser an ein Tang-Gedicht aus dem Süden erinnert: Die Frühlingswasser kräuseln sich blauer als der Himmel. / Gegen das bemalte Boot gelehnt / lausche ich dem Regen und schlafe ein … Das Wasser im See nimmt doch mit der Ankunft das Frühlings auf natürliche Weise eine tiefgrüne Färbung an. Man könnte es ja auch von der poetischen Seite sehen.«
    »Ist das dein Ernst?«
    Dann tat sie etwas völlig Unerwartetes. Sie drehte sich zur Seite und hängte die Füße ins Wasser.
    Was sie plötzlich dazu bewogen hatte, blieb ihm ein Rätsel. Ihre Knöchel funkelten weiß über dem dunklen, übel riechenden Wasser. Er überlegte, ob er es ihr nachtun sollte, und bückte sich schon nach seinen Schnürsenkeln. Als er sich vorbeugte, streifte eine Strähne ihres langen schwarzen Haares seine Wange. Doch da zog sie

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