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Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu. Xiaolong
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die Füße wieder aus dem Wasser. Sie waren von einer schleimig grünen Schicht bedeckt, die an nasse Farbe erinnerte.
    »Nennst du das etwa poetisch?«
    »Aber das war doch nicht nötig, Shanshan.«
    Er nahm einen ihrer Füße und suchte vergeblich nach seinem Taschentuch. Schließlich rieb er ihr die Füße mit Papierservietten ab, was nicht ganz einfach war. Bald waren auch seine Hände verschmiert.
    Schwer zu sagen, ob das für ihn eine poetische Erfahrung war; wenn ja, dann eher von der absurden Art. Dennoch war er gerührt. Ihre nackten Fußsohlen in seinen Händen, die zarten Zehen zwischen seinen plumpen Fingern, kam sie ihm auf einmal ungeheuer verletzlich vor. Dabei kannte er sie erst wenige Tage – und seine wahre Identität als Polizist hatte er ihr auch nicht offenbart.
    Sie hatte ihm beweisen wollen, dass sie recht hatte, und das war ihr gelungen. Dazu fiel selbst ihm keine passende Stelle aus der klassischen Poesie ein.
    »Wir fahren zurück«, sagte er dem Bootsführer.
    »Wohin?«
    »Zum Erholungsheim für Kader.«
    »Holla!« Auf dem Gesicht des Mannes machte sich Erstaunen breit, als er den Schmutz an ihren Füßen und seinen Händen bemerkte.
    »Du willst schon zurück?« Auch sie sah ihn überrascht an.
    »Ich bin kein Experte wie du, Shanshan. Aber ich bezweifle, dass dieses chemische Zeug gut für dich ist. Du musst es so schnell wie möglich mit sauberem Wasser abwaschen.«
    »Danke für das Angebot, aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, sagte sie kopfschüttelnd.
    Aber auch er schüttelte entschieden den Kopf.
    Lange saßen sie schweigend da; ihre Füße ruhten noch immer in seinen Händen.
    Der Bootsführer verausgabte sich am Heck und warf nur gelegentlich einen Blick über die Schulter.
    Dann kam der Zaun des Erholungszentrums am Fuß des Hügels in Sicht.
    »Legen Sie an«, rief Chen. »Hier steigen wir aus.«
    »Hier?«, wiederholte der Bootsführer entgeistert; er konnte weder Steg noch Eingang entdecken.
    Chen ließ ihn das Boot zu einer Art Anlegestelle unweit des verborgenen Pförtchens manövrieren.
    »Ich kenne eine Abkürzung. Dort drüben können wir rein«, erklärte er und entlohnte den Bootsmann großzügig. »Das ist der Tagessatz, dazu fünfzig fürs Essen plus Trinkgeld für die Lieder. Ist das genug?«
    »Mehr als genug, mein Herr. Verbindlichsten Dank. Dann sind Sie also aus dem Erholungsheim. Kein Wunder. Verzeihen Sie, dass ich so blind war, den Berg Tai nicht zu erkennen.«
    Dieses alte Sprichwort diente als Entschuldigung, wenn man eine Persönlichkeit von Rang oder Bedeutung nicht genügend gewürdigt hatte.
    Chen half Shanshan ans Ufer und trug ihre Schuhe, die sie nicht sofort anzog. Der gekieste Boden stach ihr in die nackten Fußsohlen, so dass sie sich kurz auf seine Schulter stützte. Er deutete auf ein Gebäude, das im Nachmittagslicht durch die Bäume schimmerte.
    »Da wohne ich.«
    »Sieht aus wie eine richtige Villa.«
    »Ist es auch. Dort kannst du dir die Füße waschen und etwas trinken.«
    »Nein, heute nicht«, sagte sie und blickte auf ihre Füße hinunter. »So kann ich doch nicht im Erholungsheim für hohe Kader erscheinen.«
    »In der klassischen Literatur kennt man den Ausdruck von den trippelnden Lotosblüten und meint damit eine barfüßige Schönheit. Also, was spricht dagegen?«
    »Jetzt bist du schon wieder sarkastisch«, entgegnete sie. »Nein, auf keinen Fall. Ich will dein Zimmer nicht in Unordnung bringen.«
    »Das ist es schon.«
    »Vielleicht ein andermal. Ich werde auf deine Einladung zurückkommen.«
    »Ich bitte darum. Wenn du durch den Haupteingang kommst, musst du an der ersten Kreuzung rechts gehen, dann siehst du es schon. Die freistehende weiße Villa mit der Nummer 3a. Abends leuchten die grünen Jalousien vor dem Hintergrund des Sees.«
    »Ich wünschte, ich könnte Ähnliches von meiner Unterkunft sagen – Wohnheimzimmer Nummer 3b. Aber da hört die Ähnlichkeit auch schon auf. Winzig wie ein Stück Tofu. Aber das interessiert niemanden hier.«
    »Sag das nicht«, warf er ein. »Ich werde darauf zurückkommen.«
    Damit waren sie an dem Pförtchen im Zaun angekommen. Shanshan nahm ihm die Schuhe aus der Hand, zog sie aber nicht an.
    »Danke für alles, Chen.«
    »Ich danke dir, Shanshan.«
    Er blickte ihr nach, wie sie barfuß die Straße entlangging. Als er sich gerade abwenden wollte, sah er, wie sie ihr Mobiltelefon zur Hand nahm, es aber abschaltete, ohne es ans Ohr gehalten zu haben. Dann beschleunigte sie

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