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Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu. Xiaolong
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Han nach.
    »Er hat mir gar nichts gesagt. Wir sind ein paarmal miteinander ausgegangen, dann hatten wir keinen Kontakt mehr.«
    »Jetzt hören Sie mir mal gut zu. Jiang wird des Mordes an Liu angeklagt. Und Sie sind seine Komplizin.«
    »Was soll das heißen?«
    »Dass Jiang Liu mit geheimem Zahlenmaterial erpresst hat, das von Ihnen stammte, und dass er ihn umbrachte, als dieser sich weigerte zu zahlen.« Ji betonte jedes einzelne Wort, um sie einzuschüchtern. »Wenn das keine Komplizenschaft ist, was zum Teufel ist es dann?«
    Nach dieser Logik war sie in jedem Fall mitschuldig, egal was sie sagte.
    »Außerdem haben Sie mit Jiang auch nach dem Mord noch mehrfach telefoniert«, warf Han ein. »Und da behaupten Sie, Sie hätten sich getrennt?«
    Shanshans Mut sank. Chen hatte recht gehabt, ihr Telefon war offenbar schon geraume Zeit überwacht worden.
    »Sie haben Jiang über Lius Pläne für den fraglichen Abend informiert, stimmt’s?«, fuhr Ji sie an. »Sie haben ihn nicht nur angerufen, sondern sich auch mit ihm getroffen, und zwar am Tag vor dem Mord.«
    »Nein, habe ich nicht«, widersprach sie mit Nachdruck; das stimmte einfach nicht.
    »In einem kleinen Lokal in der Nähe der Fabrik habt ihr euch heimlich getroffen. Wir wissen alles über Sie, Shanshan. Der Affe entkommt der Handfläche Buddhas nicht , das können Sie mir glauben.«
    Plötzlich dämmerte ihr, dass sie Jiang wohl mit Chen verwechselt haben mussten, mit dem sie bei Onkel Wang zusammengesessen hatte. Ihren Verfolgern war offenbar ein Fehler unterlaufen, doch sie wagte nicht zu widersprechen. Chen durfte keinesfalls auch noch in die Sache hineingezogen werden.
    Erst jetzt fiel ihr auf, dass tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Jiang und Chen bestand.
    »Aber wir geben Ihnen eine letzte Chance. Arbeiten Sie mit uns zusammen, Shanshan«, erklärte Han und drückte seine Zigarette in einer Teetasse aus. Es war ein Nichtraucherzimmer. »Sagen Sie uns, was Jiang alles verbrochen hat.«
    »Aber er hat doch sowieso schon gestanden«, sagte sie und biss sich auf die Lippen. »Wozu brauchen Sie da meine Bestätigung?«
    »Sie halten sich wohl für besonders clever, wie? Aber das wird Sie Tränen kosten, viele Tränen. Dafür werde ich persönlich sorgen.« Jetzt war Ji wieder am Zug.
    »Vielleicht hoffen Sie ja, dass jemand hinter den Kulissen Sie hier raushaut«, sagte Han in verbindlicherem Ton. »Aber da irren Sie sich. Bei einer Anklage wegen Mordes kann Ihnen niemand helfen. Die Sache wird nur schlimmer, und dieser Jemand wird ebenfalls Ärger kriegen, ganz egal, wie mächtig er ist. Nur wir können Ihnen eine Chance geben.«
    Mit der sprichwörtlichen Arbeitsteilung zwischen dem Rotgesichtigen und dem Weißgesichtigen in der Pekingoper versuchten die beiden sie einzuschüchtern. Mehr als alles andere beunruhigte sie dabei das Gerede von diesem »Jemand hinter den Kulissen«, auch wenn sie sich nicht sicher sein konnte, wer damit gemeint war. Chen hatte recht gehabt mit seiner Vorsicht; ohne das neue rote Handy hätten sie seine Identität längst aufgedeckt.
    Ob Chen sich darüber im Klaren war, dass die Innere Sicherheit um seine Existenz – und womöglich auch von seinem Eingreifen wusste?
    Gegen Jiang hatten sie wohl kaum solide Beweise in der Hand. Noch nicht. Dazu brauchten sie ihre Kooperation.
    »Jetzt hängt alles von Ihrer Einstellung ab«, resümierte Ji. »Schalten Sie Ihr Hirn ein, junge Frau.«
    Mit »Einstellung« war ihre Kooperationsbereitschaft gemeint, aber ganz gleich, was sie tat, die Innere Sicherheit würden ihr Verhalten ohnehin nach eigenem Gutdünken interpretieren.
    »Hier ist meine Handynummer.« Han legte eine Visitenkarte vor sie hin und stand auf. »Aber warten Sie nicht zu lange. Jiang wird verurteilt werden, ganz gleich, was Sie tun. Nun geht es nur um Sie.«
    Hinterher wusste sie nicht mehr, wie sie aus dem Hotel herausgekommen war. Immerhin war sie allein. Mechanisch setzte sie einen Fuß vor den anderen, bis ihr Kopf wieder klar war. Sie ging einen schmalen, namenlosen Pfad am Seeufer entlang. Lange, zarte Trauerweiden hingen träge ins Wasser. Erst als das Hotel nicht mehr in Sicht war, blieb sie stehen und starrte auf den See hinaus. Ihr Spiegelbild zitterte, als ein leichter Wind über die Wasseroberfläche fuhr.
    Es war sinnlos weiterzukämpfen, sagte sie sich.
    Eine einsame weiße Gans flog auf. Wohin ging ihre Reise? Hier am Ufer gab es weit und breit nur Fabrikschlote.
    Dann tat Shanshan,

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