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Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Tödliches Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Tödliches Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu. Xiaolong
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verheimlicht. Sie liebte ihn als den, der er war, und nicht wegen seines Standes oder Reichtums.
    Shanshan war außerdem auch nicht gerade freigebig mit Informationen über sich gewesen. Aber angesichts der Situation, in der sie sich begegnet waren, hatte sie dafür zweifellos ihre Gründe.
    Eine junge, attraktive und intelligente Frau wie sie musste außerdem jede Menge Verehrer haben, Jiang eingeschlossen.
    Doch als sie sich das erste Mal bei Onkel Wang über den Weg gelaufen waren, hatte es keinen Mann in ihrem Leben gegeben, da war er sich sicher. Ebenso wenig wie es eine Frau in seinem gab.
    Er versagte es sich, diesen Gedanken weiter nachzuhängen. Als Polizist hatte er derzeit Wichtigeres zu tun. Der Oberinspektor wäre schlecht beraten, wenn er sich ausgerechnet jetzt in eine Beziehung stürzte.
    Falls die Innere Sicherheit im Zuge ihrer Ermittlungen auf eine solche Affäre stieße, dann würde er sich nicht einmal mehr durch das sprichwörtliche Bad im Gelben Fluss reinwaschen können.
    Der Nachmittag war bereits fortgeschritten. Chen hatte das Mittagessen ausgelassen, um nicht noch einmal durch den Zimmerservice gestört zu werden.
    Nun bekam er allmählich Hunger. Bis zum Restaurant wären es nur ein paar Schritte, aber er hatte keine Lust, dort als »Ehrengast« behandelt zu werden. Also brachte er Wasser in einem Topf zum Kochen und warf eine Packung Teigtaschen mit Krabbenfüllung hinein, ein Fertiggericht, das er sich im Laden des Erholungsheims besorgt hatte.
    Er beendete sein Mahl, ohne es wirklich wahrgenommen zu haben. Den Geschmack auf seiner Zunge prüfend, stellte er im nachhinein fest, dass die Teigtaschen wohl gar nicht übel gewesen waren.
    Dann stellte er seine Schale und den Topf in den Spülstein, machte sich aber nicht die Mühe, sie abzuwaschen. Durch das Küchenfenster beobachtete er, wie eine mutwillige Böe die trägen Wolken am fernen Horizont auseinandertrieb.
    Er zog sich ein altes T-Shirt und kurze Hosen an und griff nach seinem Handy.
    Doch dann zögerte er. Er hatte ihr bereits auf die Mailbox gesprochen, und sie hatte nicht zurückgerufen. Während er das Telefon hinlegte, fragte er sich, wie sie wohl den Tag verbracht hatte. Ein weiterer Überraschungsbesuch wäre zwar verlockend, doch er entschied sich dagegen. Er konnte ihr nichts wirklich Neues berichten. Außerdem wurde ihr Wohnheim höchstwahrscheinlich überwacht.
    Stattdessen setzte er sich wieder an den Laptop. Einem spontanen Impuls folgend, nahm er sich die Satzfragmente vor, die er vor einigen Tagen notiert hatte. Seine Gedanken waren bei ihr, als er die Datei öffnete. Was er dort fand, war noch ungeordnet, doch er hoffte, daraus ein Langgedicht entwickeln zu können – ein ehrgeiziges Projekt.
    Neue Bilder stellten sich ein, beliebige Szenen rund um den See, in deren Mittelpunkt stets sie stand. Shanshan, wie sie mit ihm im Sampan saß und ihm von den Umweltproblemen des Sees erzählte …
     
    Der Morgen begrüßt den See
    mit Wellen verseuchter Luft, die das
    Lächeln im erwachenden Blattwerk ersticken.
    In einer roten Jacke schreitet sie,
    einem leuchtenden Segel gleich, durch den Staub
    unter einem Geäst von Rohrleitungen,
    die triefen von giftigem Wasser.
     
    Shanshans jugendlicher Idealismus wirkte ansteckend auf Chen. Lange Zeit hatte er an seinen dichterischen Fähigkeiten gezweifelt, aber vielleicht war es ja noch nicht zu spät für einen Neuanfang. Von dem Gedanken an sie beseelt, hackte er in die Tasten.
     
    Wie brüchige metallblaue Fingernägel
    krallen die Blätter sich
    an die kahlen Ufer des Sees,
    in dem tote Fische treiben.
    Ihre bleigrau glitzernden Bäuche zittern,
    und die brechenden Augen sind glasig.
    Über den schwarzen Giftwogen aber
    erhebt sich dunkel
    der Wald zukünftiger Albträume.
    Ein Hund bellt – weit weg –
    in seinem Zwinger.
     
    Wer ist es, der an deiner Seite geht?
     
    Mondlicht fließt wie Wasser,
    darauf ein Nachen voller Sorgen …
    Wer pfeift hier die »Blaue Donau«?
    So nah und doch so fern sind
    alle Freuden und Kümmernisse des Traums.
     
    Der Ton einer Violine weht herüber,
    eine Wasserratte klettert ans Ufer.
    Die Stadt erwacht niesend in den Tag
    und legt sich abends hustend zur Ruhe.
     
    Wer ist es, der an deiner Seite geht?
     
    Die Zeilen kamen wie brandende Wellen. Er arbeitete in tiefer Konzentration und wollte sich eben ein weiteres Glas Rotwein einschenken, als das Telefon klingelte. Es war Hauptwachtmeister Yu aus Shanghai.
    Der Verkehrslärm im

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