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Toete John Bender

Toete John Bender

Titel: Toete John Bender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Voss
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und verschwand darin.
    Tom warf einen Blick auf seine Uhr und entschied sich, dem anderen hinterherzugehen. Langsam lief er die Strecke bis zum Waldrand. Der Wald wirkte unfreundlich auf ihn. Sperriges Totholz von Fichten und Tannen war übereinander gestürzt und abgebrochene Zweige und zersplitterte Stämme ragten bedrohlich empor. Im Inneren standen die Bäume so dicht beieinander, dass kaum Licht auf den Boden fiel. Moos und Flechten bedeckten die Hölzer, lebendige und tote gleichermaßen.
    Tom fühlte sich unwohl, suchte die Gestalt des Fremden in dem Zwielicht, aber ohne Erfolg. Gedanklich maß er den Wald seiner Größe nach ab und entschloss sich, zumindest ein paar Schritte in ihn einzudringen. Bisher hatte es nie einen Anlass gegeben, den Wald zu erkunden, er lag außerhalb des Wirkungskreises ihrer Coachings.
    Nach kurzer Zeit erkannte er einen weiteren Grund, weswegen er den Ort meiden sollte: Brombeerranken, die ihm in die Knöchel und Waden stachen und meterhohe Brennnesseln, die ihm Beine und Arme verbrannten.
    »Verflucht!«, zischte er und wollte umkehren, als er den Umriss eines Gebäudes in der Tiefe des Waldes bemerkte, von Bäumen und Büschen zugewachsen und so damit verschmolzen, als sei es ein Teil des Waldes selbst.
    Er kämpfte sich durch sperrige Äste, sich in seiner Kleidung und Haut verhakende Ranken, und je weiter er sich näherte, desto unheimlicher wurde ihm der kubusförmige Schatten. Tom erkannte in ihm einen schlichten Betonklotz ohne Fenster. Lediglich kleine, rechteckige Öffnungen unterteilten den dunkelgrauen und moosgrünen, spröden Beton. Tom vermutete, dass dieses Gebäude einer jener Bunker war, den die Deutschen im Zweiten Weltkrieg errichtet hatten und die er in seiner Inselbeschreibung erwähnt hatte. Nun sah er ihn mit eigenen Augen und nicht einmal kam ihm der Gedanke, diesen Ort künftig in sein Coaching-Konzept einzubinden. Zu düster wirkte er auf ihn.
    Er passierte eine Ecke und erblickte drei Stufen, die zum Eingang führten: Ein schwarzes Loch, das die Kälte gefangener Zeit ausatmete und nach Moder roch. Tom ließ den Anblick auf sich wirken, und mit jeder verstreichenden Sekunde verlor dieser Anblick seine Bedrohlichkeit, ohne sie dabei ganz abzulegen. Tom gewöhnte sich an die Dunkelheit und konnte in den Eingangsbereich des Bunkers sehen. Kalte Wände, kalter Boden. Die Wände schienen bemalt zu sein, ein Motiv konnte er aber nicht erkennen. Hatte sich der Fremde hier versteckt und lauerte nun auf ihn? Tom hob vorsichtig einen armdicken Ast auf, zielte, warf ihn in den Eingang und wartete auf eine Reaktion. Nichts. Er suchte nach einem ähnlichen Stock, den er als Waffe nutzen konnte, musste aber feststellen, dass er den einzig brauchbaren in der nähreren Umgebung eben als Köder weggeworfen hatte. Ein Fluch lag auf seinen Lippen, den er eben noch zurückhalten konnte.
    Geduckt schlich Tom die Stufen hinauf, zögerte und sprang dann in den Bunker hinein. Sein Herz pochte und erst nachträglich bemerkte er seine Anspannung, die, nachdem er sehen konnte, dass der einzige Raum und der Treppenaufgang außer ihm menschenleer waren, jetzt langsam wieder von ihm abfiel. Er entspannte sich und sah sich um.
    John.
    Er blinzelte irritiert. In unterschiedlichen Schriftzügen stand ringsum dieser Name an den Wänden. In roter und schwarzer Farbe. In Schreibschrift, Druckschrift, klein und groß geschrieben, sich überlappend und kreuzend. Je länger Tom darauf starrte, desto anstrengender wurde es.
    Wie krank , dachte er. Er ging näher an eine der Wände heran, suchte nach aufschlussreichen Details und stutzte. Mit seiner Hand fuhr er über die Farbe, kratzte mit dem Nagel des Zeigefingers über ein ›J‹.
    Er ging noch näher und roch daran. Frisch. Nicht vollkommen frisch, die Farbe war schon verkrustet, aber doch so frisch, dass er sie riechen konnte und der Kern von dick aufgetragenen Stellen weich war. So frisch, dass es mit den anderen sonderbaren Ereignissen auf der Insel zusammenfallen konnte. Tom schüttelte ratlos den Kopf und prüfte den Treppenaufgang. Das gleiche Bild.
    John, John, JOHN.
    In allen Schreibarten und Schriftfarben. Geschwungen, abgehackt, schief, versetzt. Als wäre es von mehr als einer Person geschrieben worden … oder von einem Wahnsinnigen!
    Tom schluckte trocken. Mit einer Hand fuhr er die Wand entlang und stieg die Treppe hinauf. Noch dunkler war es im ersten Stock. Das durch die Schießscharten hereinfallende Licht wurde von dem

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