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Toete John Bender

Toete John Bender

Titel: Toete John Bender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Voss
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Wasser springen und der Tag konnte beginnen.
    Er schlich zum Zelt, kroch hinein und suchte rücksichtsvoll seine Laufschuhe und seine Sporthose. Schnell zog er sich vor dem Zelt um und lief los. Auf der letzten Düne zum Strand spähte er nach ihr, konnte sie aber nirgendwo laufen sehen. War sie doch nicht den Strand entlanggelaufen? Selbst wenn sie gesprintet wäre, hätte er sie noch sehen müssen. Unentschlossen lief er auf der Stelle. Umkehren oder weiterlaufen? Wenn er schon mal hier war, konnte er auch weiterlaufen.
    Silvia hatte es ihm ganz schön angetan, musste er sich eingestehen. Er kämpfte sich durch den weichen Strandsand und beschleunigte dort, wo der Sand feucht und schwer war und einen guten Untergrund abgab. In etwa einer Stunde konnte man die Insel umrunden, und dieses Vorhaben setzte er sich zum Ziel. Tief holte er Luft und nach einigen Schritten tauchte er in die meditative Dimension des Laufens ein.
    Er hatte die Insel zur Hälfte umrundet, als ihn etwas aus seiner Konzentration riss. Ein Pulk von Möwen kämpfte am Strand um etwas, das Tom auf die Entfernung nicht genau erkennen konnte. Er verlangsamte seinen Lauf, bis er nur noch schnell ging, legte die Hände als Sichtschutz über die Augen und spähte. Ein großer Körper lag am Strand. Zu groß für einen Fisch, fast so groß wie ein Mensch. Nein! Sein Herzschlag setzte vor Schreck fast aus. Genauso groß wie ein Mensch! Ein Mensch! Ihm wurde heiß und kalt. Er beschleunigte wieder seinen Schritt … Nein, es war kein Mensch, es war ein … Seehund.
    Mittlerweile roch er den beißenden Gestank von Verwesung, und die sich streitenden Möwen krächzten, da sie Tom als weiteren Futterfeind wahrnahmen. Sie stoben auf, flogen umher, nur um eine andere geeignete Stelle zu finden, von welcher sie sich einen Happen Fleisch aus dem Aas herauspicken konnten.
    Er zog sein T-Shirt über die Nase und betrachtete den Kadaver. Seehunde waren selten in der Ostsee, aber auf den dänischen Inseln gab es ein paar kleinere Kolonien. Tom mochte die Tiere und empfand Mitleid. Von der Größe her handelte es sich um ein verendetes Männchen. Er wandte sich ab, wollte das Tier umrunden und erschrak. Auf dem Hügel, den er von dieser Seite der Insel erkennen konnte, sah er eine Gestalt vor der aufgehenden Sonne stehen. Er ging ein paar Schritte weiter, um aus dem schwärenden Brodem der Verwesung zu gelangen, ohne die Gestalt aus den Augen zu lassen. Sie bewegte sich nicht, sondern stand dort nur. Erst dachte Tom, es könnte Silvia sein, und ihre Laufrouten kreuzten sich hier glücklicherweise, aber die Gestalt war wesentlich größer und kräftiger als sie.
    Tom ging näher. Nach ungefähr fünfzig Schritten hob der Schatten einen Arm in die Höhe und verharrte. Sollte das ein Winken sein? Tom konnte die Geste nicht deuten. Stopp? Er blieb stehen, hob seine Hand zum Gruß und wartete auf eine Reaktion seines Gegenübers. Nichts. Der andere regte sich nicht und Tom kam sich einerseits lächerlich vor, denn das Ganze entbehrte nicht einer gewissen Komik, andererseits war ihm die Gestalt auch unheimlich, denn es war bestimmt der Fremde, der die Fische getötet hatte und der auch für die anderen Vorkommnisse verantwortlich war. Die zerstörte CB-Funkanlage nicht zu vergessen!
    »Hallo!«, rief Tom und nahm den Arm herunter.
    Der andere tat es ihm gleich, aber er antwortete nicht.
    »Tss«, entfuhr es Tom.
    Er fasste sich ein Herz und ging mit großen Schritten auf den Fremden zu. Der stieß plötzlich einen tiefen, kehligen Schrei aus, wandte sich um und rannte den Hügel auf der abgewandten Seite hinunter.
    Tom verscheuchte seinen Schrecken über diesen Schrei und überlegte. Sollte er die Verfolgung aufnehmen oder nicht?
    Er entschied sich dafür und sprintete los. Die letzten Meter den Hügel hinauf quälte er sich Schritt für Schritt und gab auf, als ihm schwarz vor Augen wurde. Er presste seine Hände in die Seiten, schnaufte und blickte den Hügel hinab, aber dort war niemand. Stöhnend überwand er die letzten Meter der steilen Anhöhe, blieb stehen und sah sich um. Der Süßwassersee, der Wald, und … dort lief die Gestalt! Trotz der bereits sommerlichen Temperaturen trug sie etwas langärmliges Schwarzes, vielleicht einen Pullover, und eine lange Hose. Genauer konnte Tom es nicht erkennen. Die Gestalt blieb kurz vor dem Gehölz stehen und blickte sich um, sah Tom auf dem Hügel und hob die Hand. Dann drehte sie sich weg, ging mit weiten Schritten zum Wald

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