Toete John Bender
aufkommen zu lassen.
»Ja, macht Sinn«, gab Sascha zu, »ging mir aber irgendwie ein bisschen schnell mit der Auflösung, muss ich sagen.«
Tom interpretierte Saschas Antwort stellvertretend für alle, schritt auf Doris zu und nahm ihr den Zettel aus der Hand.
»Genau!« Er hielt den Zettel hoch und zeigte ihn herum. Dann steckte er ihn in seine Hosentasche. »Konzentriert euch auf das Wesentliche und erkennt es in einer Aufgabe. Sehr gut!« Er klatschte in die Hände, Jens folgte seinem Beispiel und sah seinen Vorgesetzten mit großer Bewunderung an. »Ein bisschen schnell kam die Auflösung in der Tat, Sascha, tut mir leid. Du kannst mir glauben, ich hätte euch gerne länger schmoren lassen, aber mir saß wortwörtlich das Wetter im Nacken.«
Mit dem Daumen deutete Tom hinter sich auf die Unwetterfront und freute sich über seine Improvisationsgabe sowie die eben zurechtgelegte Antwort. Es bestätigte wieder einmal seine Annahme über sich selbst, unter steigendem Druck zu großen Leistungen fähig zu sein.
»Wir gehen jetzt zurück ins Lager, fünf Minuten Pause und dann beginnen wir mit dem Milton-Konflikt-Rollenspiel. Bis gleich, ich räume hier noch kurz auf. Wolfgang, nimmst du die Truhe mit?«
Wolfgang nahm die Truhe entgegen und die Gruppe marschierte den Strand zur Düne hinauf. Tom hatte wieder ein gutes Gefühl. Was immer sein Gegenspieler geplant hatte, es war nicht aufgegangen, dessen war er sich sicher.
»Kann ich dir noch was helfen?«, fragte Jens, der geblieben war.
»Nein, geh mal mit den anderen«, antwortete Tom und sah Jens mit einer Mischung aus Triumph und Lauern an.
»Ist schon in Ordnung, Tom. Das war ganz stark, Mann! Echt, ich bin schwer beeindruckt von dem, was du dir immer so einfallen lässt. Wahnsinn. Ich will mich nicht beliebt machen, ich muss das nur loswerden«, sprudelte es aus Jens hervor.
»Danke. Kein Problem, aber natürlich, willst du dich damit beliebt machen. Ist vielleicht kein Primärziel von dir, aber diese Intention steckt in jedem Lob. Bis gleich.«
Jens lachte, immer noch voller Bewunderung, und lief den anderen hinterher. Sobald Tom sie nicht mehr sehen konnte, zündete er sich eine Zigarette an, holte den geheimnisvollen, fremden Zettel hervor, faltete ihn auseinander und las ihn sorgfältig durch.
»Zarathustra«, flüsterte er und suchte in seiner Erinnerung nach einem Ereignis, bei dem er einen Anker werfen konnte.
»Zarathustra, Nietzsche«, sinnierte er weiter, aber ein Ergebnis, ein Geistesblitz wollte sich nicht einstellen. Er versuchte eine Brücke zwischen Nietzsche, Zarathustra und › JOHN TOD‹ zu spannen und ahnte, diese Begriffe würden in einer Beziehung zueinander und zu ihm stehen, aber kein konkreter Einfall folgte. Das Nebulöse an diesen Hinweisen nagte an ihm, zermürbte ihn und er wusste, diese Folgen würden in der Absicht seines Gegners gelegen haben.
Also Jens.
Oder etwa doch nicht?
Ein weiterer Punkt, der ihn marterte. Sollte er Jens zur Rede stellen? Was würde es bringen? Bisher hatte er keinen handfesten Beweis für seine Anschuldigung und Jens spielte seine Rolle perfekt.
»Phh, Wahnsinn!«, zollte Tom ihm kopfschüttelnd Respekt. Oder bestand doch noch eine Möglichkeit für Jens' Unschuld? Tom hätte gern daran geglaubt, aber bei den Fakten schien es aussichtslos. Also würde er das Spielchen weiter mitspielen und versuchen, so oft und gut es ging, die Zügel in die Hände zu bekommen. Wegen der weiteren Hinweise in der Truhe machte er sich keine Sorgen. Für die anderen Geheimfächer besaß nur er den elektronischen Schlüssel.
Siegessicher grinste Tom, drückte die Zigarette aus und folgte den anderen.
***
S ie standen im Halbkreis beisammen und erwarteten weitere Anweisungen. Die Schatztruhe hatte Wolfgang vor sich in ihre Mitte gestellt. Beinahe symbolträchtig stand sie dort. Tom sammelte sich. Er wollte für die nächste Ansprache strahlen und glänzen. Seine Veranstaltung strebte auf ihren Höhepunkt zu; jetzt galt es, Kräfte zur Motivation zu mobilisieren. Es musste zu einem positiven, unvergesslichen Ereignis werden.
»Also gut, meine Damen und Herren, liebe Schatzsucher! Ihr habt der Kiste das erste Geheimnis entrissen und sie verlangt von euch, das gefährliche Milton-Konflikt-Rollenspiel zu spielen.«
»Ja, genau, Milton-Konflikt-Rollenspiel«, lachte Sascha.
»Lass uns anfangen!«, scharte Wolfgang mit den Hufen.
Tom sah beiläufig zur Unwetterfront. Seit sie hier standen, hatten sich zweimal
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