Toete John Bender
hintereinander Salven von Blitzen aus dem düsteren Gebilde gelöst. Das verhieß nichts Gutes und Tom hoffte, die Schatzsuche noch im Trockenen beenden zu können. Er ärgerte sich, noch keinen Kontakt mit Bert und Lydia aufgenommen zu haben. Seine nächste Zigarettenpause musste er dafür nutzen.
»Wir beginnen! Im Milton-Konflikt-Rollenspiel begegnen sich zwei Akteure – der Chef und der Angestellte. Sie spielen eine vorgegebene Situation nach, der Ausgang ist offen und wird fremdbestimmt. Jeder Akteur benennt vorher drei Eigenschaften, von denen er glaubt, dass sie der jeweiligen Position gut zu Gesicht stünden. So weit klar?«
»Was machen denn die anderen?«, fragte Silvia.
Tom meinte einen provokanten Unterton in ihrer Stimme gehört zu haben, war sich dessen aber nicht sicher. Auf jeden Fall lieferte sie ihm die gewünschte Vorlage.
»Die anderen sitzen im Aufsichtsrat und geben die Situation vor. Sie sitzen also sozusagen hinter einer Spiegelglasscheibe und beurteilen die jeweiligen Rollen mit einem vorgefertigten Fragebogen, der auch genügend Raum für eigene Äußerungen lässt.«
»Der Aufsichtsrat gibt die Situation vor? Heißt, er sagt, ihr spielt einmal das Beförderungsgespräch von X durch und beurteilt dann den Gesprächsverlauf?«, hakte Sascha nach.
»Ja, fast. In der Situation gäbe es ja keinen Konflikt. Wir wollen schließlich etwas aus Konflikten lernen. Also vielleicht ein Gespräch über eine vermeintliche Beförderung auf einen Posten, den sich der Angestellte nicht gewünscht hatte. Stattdessen erhält eine Kollegin diesen Posten und das muss der Chef oder die Chefin mitteilen.« Tom sah sie an. »Wir werden das Gespräch filmen und später auf der ›Paloma‹ gemeinsam auswerten. Das setzt natürlich euer aller Einverständnis voraus, das ihr bei der Anmeldung aber schon abgegeben habt. Dennoch sind an dieser Stelle die meisten Teilnehmer schockiert, dass sie gefilmt werden könnten.« Er lachte.
Niemand protestierte.
»Soweit alles verstanden?«
Sie nickten.
»Ich schätze mal, wie wir die Rollen verteilen, sollen wir wieder unter uns ausmachen, ja?«, fragte Wolfgang.
Tom grinste und zog die Augenbrauen hoch. Die Teilnehmer begannen zu diskutieren, wie sie die Rollen verteilt bekamen und er wandte sich an Jens, um ihn zu bitten, die Fragebögen zu holen. Doch Jens hatte schon alles Notwendige zusammengesucht und hielt die Fragebögen hoch. Tom nickte ihm zu. Die in der Geste enthaltene Anerkennung hielt sich aber in Grenzen, auch wenn er über dessen Initiative überrascht war.
»Jens, in der Konzeptphase muss ich noch mal kurz weg«, kündigte Tom an.
»Was vergessen?«
»Nichts Wichtiges, dauert nicht lange«, hielt er Jens im Ungewissen. Solange er ihm nicht vertrauen konnte, wollte er diesen Zustand von nun an pflegen.
»Okay, in Ordnung.«
»Komm, wir schauen uns an, wie sie Chef und Angestellter wählen«, sagte Tom, schlug Jens freundschaftlich auf die Schulter und begann an der Rolle des Ahnungslosen und Unberechenbaren Gefallen zu finden.
***
»S topp!«, befahl Sascha.
»G…«, antwortete Frederik.
»Gynäkologe!«, rief Silvia.
Tom, der wohl verstanden hatte, wie sie die Akteure erwählten, war augenblicklich unwohl und er erinnerte sich wieder an den Sex mit Silvia zwischen den Dünen.
»Doris und Wolfgang sind es!«, rief Sascha.
Doris sah sichtlich unzufrieden aus, der Kopfschmerz stand ihr so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass Tom überlegte, ob er eingreifen sollte. Nein, entschied er, wenn Doris etwas aus diesem Wochenende wirklich mitnehmen sollte, dann die Fähigkeit, sich für ihre eigenen Interessen ohne Rücksicht auf andere starkzumachen. Wenn sie sich nicht gut fühlte, sollte sie es allen sagen.
»Ja, wunderbar«, kommentierte er und klatschte Beifall. »Ihr beide könnt euch jetzt gerne zur Beratung zurückziehen, die Rollen verteilen und jeweils drei Charaktereigenschaften zuordnen. Jens hat noch einen Ideenvordruck für Charaktereigenschaften, da braucht ihr nur anzukreuzen. Fallen euch selbst welche ein, könnt ihr den Fragebogen ergänzen.«
Jens reichte Doris und Wolfgang die Klemmbretter mit den Fragebögen und die beiden zogen sich wortlos hinter eine Düne zurück.
»Sehr verehrter Aufsichtsrat! Ihr müsst nun für euren Geschäftsführer oder eure Geschäftsführerin eine schwere Aufgabe ersinnen. Einigt euch auf drei Gesprächsziele, die ihr intern von eurem Geschäftsführer erwartet, und messt ihn daran. Im
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