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Toete John Bender

Toete John Bender

Titel: Toete John Bender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Voss
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Richtung.
    Nach dem Floßbau musste ein Findling in der Ostsee erreicht werden, der etwas weiter draußen im flachen Wasser lag. Letzteres war wohl der leichtere Teil, aber mit Führungskräften ein Floß zu bauen, offenbarte jedes Mal großes Potenzial zur Verbesserung des Führungsstils. Das hatte bisher immer die anschließende Filmanalyse ergeben, auf die Tom sich jetzt schon freute.
    Wolfgang holte ein zusammengefaltetes Blatt Papier hervor, welches dem Aussehen nach sehr alt war – eingerissen und vergilbt.
    »Also, ja, wer möchte das denn mal vorlesen?«, fragte er in die Runde.
    Auch auf die Gefahr hin, dass es der Gesamtsituation durch einen Dramaturgieverlust abträglich werden würde, sprang Tom ein.
    »Wolfgang!«, sagte er mahnend. »Du kannst doch jetzt nicht kneifen. Einmal ist es dir nicht gelungen, gut. Der Sascha ärgert dich ein wenig und du traust es dir nicht mehr zu, vor der Gruppe vorzulesen? Gerade jetzt musst du!«
    Sascha lachte und fühlte sich erwischt.
    »Recht hast du«, stimmte Wolfgang zu. »Also gut«, begann er, hielt den Zettel mit ausgestreckten Arm vor sich und kniff die Augen zusammen.
    »Der Mann ist blind wie ein Maulwurf«, flüsterte Sascha.
    »Pst!«, forderte Tom Ruhe und erwartete sein geschriebenes Gedicht. Die erste Strophe konnte er auswendig und sprach sie gedanklich vor:
    Die Meuterei überstanden,
    den rauen Wind,
    Niemand über Bord und alles vorhanden,
    doch ob wir eine Mannschaft sind?

    »Also gut«, nahm Wolfgang einen zweiten Anlauf.
    Tom schloss die Augen. Wenn Wolfgang es packte, konnte er genießen, wenn nicht, sah ihm niemand seine Enttäuschung an.
    » Dem Milton haben wir es gegeben, nun lasst uns alle weiter streben «, begann Wolfgang monoton.
    Tom riss die Augen auf, verspürte den Drang zu Wolfgang zu stürmen, um ihm den Zettel aus der Hand zu reißen. Das war nicht sein Gedicht! Er wurde von heißen und kalten Schauern geschüttelt und war innerlich einer Panik nahe. Nur er hatte einen Schlüssel zu den restlichen Geheimfächern. Nur er und sein Sicherheitsmann wussten um die Beschaffenheit, die Mechanismen, die Sicherheitsoptionen der Truhe. Das war sein Baby! Tom fühlte sich verkauft, verraten und ernsthaft bedroht. Mit pochendem Herzen und um Ruhe bemüht, folgte er Wolfgangs Worten.
    » Wollen wir bergen den Schatz – folgt nun eine Hatz. Dann ist da eine weitere Strophe, also so ein Absatz.«
    Wolfgang hielt das Pergament hoch, damit jeder sehen konnte, was er meinte. Es sah aus der Entfernung genauso aus, wie jenes, dass Tom vorbereitet hatte.
    » Gut versteckt im tiefsten Wald – suchet bald, suchet bald, liegt des Piraten Höhle fein – hoffentlich wird es kein Mörder sein. Das war es. Mehr steht da nicht«, endete Wolfgang.
    Normalerweise war es Toms Job an dieser Stelle, die Spannung, die Dramaturgie hochzuhalten, aber er fühlte sich kraftlos, war völlig aufgewühlt und sah, wie Jens ihn anblickte und Impulse erwartete. Konnte es immer noch Jens gewesen sein? Wenn nicht, wer dann? Wem konnte er noch vertrauen? War es Zeit, die Veranstaltung abzubrechen?
    »Du kennst dich doch aus hier, Tom? Ist das der Wald da beim See, der gemeint ist? Gibt es da Höhlen?«, fragte Wolfgang voller Tatendrang.
    »Damit sind die Bunker gemeint, die es hier doch geben soll, oder?«, mutmaßte Sascha.
    Tom fühlte sich bedrängt und überfordert.
    »So, wartet mal. Mir ist gerade was auf den Magen geschlagen und ich muss mal in die Büsche. Jens, sammle doch bitte die Vorschläge ein und ihr entwerft einen Strategieplan, wie wir weiter vorgehen.«
    Jens sah ihn etwas hilflos an, aber Tom nickte ihm mit letzter Willensaufbietung selbstsicher und optimistisch zu.
    »Bis gleich«, verabschiedete er sich in die Dünen.

    ***

    E r zitterte. So etwas hatte er noch nie gehabt. Hastig steckte er sich eine Zigarette an und inhalierte tief … einmal, zweimal, und beruhigte sich dadurch langsam. Was sollte er machen? Diese Frage drängte sich ihm am stärksten auf. Abbrechen oder weitermachen? Bräche er ab, wäre das ein unternehmerisches Desaster und wahrscheinlich würde er niemals herausfinden, wer ihm an den Karren pissen wollte. Machte er weiter, lief er Gefahr, sehenden Auges auf eine Katastrophe zuzusteuern. Entweder sollte er als Person Schaden nehmen oder aber sein Unternehmen sollte geschädigt werden.
    Zur Verunsicherung und dem Eingeständnis einer Niederlage gesellte sich Wut. Wut auf den Gegenspieler, der feige aus dem Hintergrund agierte und

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