Toete John Bender
antwortete Tom und beobachtete ihre Reaktionen.
Doris wirkte wie Frederik teilnahmslos, Sascha und Silvia fassungslos, Jens und Wolfgang wusste er nicht einzuschätzen.
»Der will uns Angst machen«, schlussfolgerte Wolfgang und sah die anderen an.
»Ja, möglich. Bei mir wirkt es zumindest«, offenbarte sich Sascha.
»Weiter!«, forderte Silvia energisch.
Ihr Stimmungswandel überraschte Tom. Aus ihr wurde er am allerwenigsten schlau. Konnte sie dahinter stecken? Er betrachtete sie mit diesem Gedanken, überlegte, ob er sie vielleicht von früher kannte, konnte sich aber nicht an sie erinnern.
»Ja, weiter!«, knurrte Wolfgang und blickte Tom auffordernd an.
»Jens, was meinst du?«, fragte Tom und überraschte ihn mit dieser Frage.
»Ich?«, reagierte er mit einer Gegenfrage und rieb sich seine Wange. »Äh, ich weiß es nicht. Ich bin genau so verwirrt wie alle anderen.«
»Weiter!«, entschloss sich auch Sascha. »Aber sollte das einer deiner Leute sein, Tom, und ich erwische ihn, dann hast du, ehrlich gesagt, Pech gehabt. Verstanden?«
Tom nickte. Sollte Sascha mit dem Fremden anstellen, was er wollte, ihm konnte es nur recht sein.
»Gut, gehen wir. Wir können uns an den Fackeln orientieren, sie führen zum Bunker.«
Tom führte sie vorsichtig zu dem aufgespießten Schafskopf. Der Neugier geschuldet verlangsamten sie ihr Tempo und gingen schweigend an dem Schädel vorbei. Details brannten sich ins Gedächtnis. Die heraushängende Zunge, die schlierigen Augen, ein anthrazitfarbener Käfer, der im Ohr saß und ihnen mit seinen Fühlern winkte. Der zweite Schädel war ein Schweinskopf, der sie mit aufgerissenem Maul empfing. Insekten umschwirrten ihn und die Flamme der Fackel gleichermaßen. Silvia wandte den Blick ab, Frederik hingegen betrachtete den Schädel eingehend von jeder Seite. Ein Blitz erhellte kurz das Gehölz, ein Donnern folgte so laut, dass sie vor Schreck zusammenzuckten.
»Lasst uns jetzt schnell in den Bunker gehen und nicht jeden Tierkopf unter die Lupe nehmen«, schlug Sascha vor und drängte vorwärts.
Tom nahm den Einwand als Anlass, schneller zu gehen. Sie passierten weitere fünf aufgespießte Schädel unterschiedlicher Tiere – eine Kuh war auch darunter – und erreichten dann den Eingang des Bunkers, zu dem drei Stufen hinaufführten. Wie ein hungriger Schlund wirkte die Öffnung auf Tom, noch bedrohlicher als bei seinem ersten Besuch heute Morgen.
»Hier werden wir also den nächsten Hinweis finden, ja?«, fragte Sascha.
»So ist es«, antwortete Tom, sich darüber im Klaren, sie immer noch nicht vollständig eingeweiht zu haben. Bisher, so glaubte er, gingen sie nach wie vor davon aus, dass er für die Wahl dieses Ortes verantwortlich war. Ihm graute vor der weiteren Offenbarung eines Vertrauensbruchs und hoffte inständig, den Fremden zu fassen oder den notwendigen Hinweis zu erhalten, um diese ganze Intrige gegen ihn auffliegen lassen zu können. Wie weit konnte er gehen? Er wusste es nicht.
»Gut ausgewählt! Macht Eindruck!«, honorierte Sascha den Ort. »Was finden wir vor?«
»Lassen wir uns überraschen«, antwortete Tom, leuchtete in den Eingang und schritt die erste Stufe hinauf.
***
D er Geruch von Moder und feuchtem Beton schlug ihnen entgegen und schon beim ersten Schritt in den Raum stockte Tom der Atem. Die Wände waren unbeschrieben! Nackter Beton, schimmelig von der Feuchtigkeit an manchen Stellen, und nirgendwo prangte auch nur einmal das Wort John an der Wand.
»Was ist?«, bemerkte Silvia seine Fassungslosigkeit.
Sprachlos, mit offenem Mund wies er an die Wände, schüttelte den Kopf. »Nichts«, stammelte er.
Jens verstand als Erster, was Tom meinte.
»Du hast Recht«, bestätigte er, drehte sich einmal um sich selbst, ging zu einer Wand und betastete sie. »Nichts.«
»Heute Morgen war hier alles vollgeschrieben. Überall stand ›John‹ und ›Tod‹ in Rot, Schwarz, Groß, Klein – überall!«, erklärte Tom seine Bestürzung. Er sah die befremdeten Blicke der anderen.
»Alles voll?«, fragte Wolfgang und deutete mit einer ausladenden Geste in den Raum.
»Ja, glaubt mir! Ich erzähle keinen Unsinn!«
»Aber wie soll das gehen, Tom? Meinst du etwa, da macht sich jemand die Mühe und kritzelt mit Farbe ›John‹ und ›Tod‹ an die Wände, lockt dich hierher und wischt alles wieder ab? Das ist Schwachsinn!«, widersprach Sascha.
»Willst du sagen, ich lüge?«, fragte Tom aggressiv.
»Weiß nicht. Ich glaub dir nicht«,
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