Toete John Bender
Kelch an.
»Schütte es endlich aus!«, forderte Tom von ihm.
»Nein, hör zu. Glaubst du tatsächlich, da ist Gift drin? Glaubt das jemand?«, fragte er in die Runde und erntete Gesten der Ratlosigkeit. »Ich für meinen Teil glaube es nicht. Ich glaube, das ist ein Test. Ich will gar nicht begründen, warum ich das glaube, nur, dass ich es trinken würde. Und Halt! …«, versuchte er die aufkeimende Entrüstung im Keim zu ersticken. »… Ich tue das, weil ich weiß, was ich tue. Und Prosit!«
Er hob den Kelch an, führte ihn an seinen Mund.
»Bist du wahnsinnig!«, protestierte Sascha und griff Wolfgang in den Arm.
Tom entwendete ihm den Kelch, ruhig und ohne Hektik.
»Lass gut sein, Wolfgang. Das ist nicht deine Sache, sondern unsere – Jens und meine. Jens, wenn du mir wirklich beweisen willst, dass du NICHT derjenige bist, der hinter all den Schikanen steht, dann trinkst du das!«
Tom reichte Jens den Kelch, der aus einem Reflex danach greifen wollte. Dann aber erstarb die Bewegung und gefror. Tom musterte seinen Assistenten, witterte jede verdächtige Regung. Komm schon , dachte er, jetzt habe ich dich!
»Tom, ich kann … ich weiß nicht …«, stammelte Jens und war sichtlich überfordert.
»Du wusstest, wo die Kiste vergraben war. Nur du, niemand sonst!«, wurde Tom laut und bedrängte Jens, der ängstlich zurückwich.
»Tom, mach mal halblang jetzt!«, erhob Sascha seine Stimme, schob sich schützend vor Jens und straffte sich.
»Du kannst doch vom Jens nicht verlangen …« Silvia fiel ihm ebenso ins Wort, laut und wütend.
Als sei das ein Startschuss gewesen, verteidigten auch Wolfgang und Frederik den Assistenten. Unter der Gewalt ihrer Stimmen und ihrer Überzahl schaltete Tom auf stur, hörte sie nicht mehr und fühlte sich völlig zu Unrecht angegangen. Er hatte Jens soweit gehabt! Er war so dicht dran gewesen! Zumindest glaubte er es in diesem Augenblick. Allein seine Wut auf die Situation, ließ es ihn glauben. Aber so konnte es passieren als Anführer, als Kapitän einer Mannschaft, der standhaft bei Sturm auf der Brücke stand und einsame und harte Entscheidungen zu treffen hatte! Jetzt erst recht! , sagte er sich, hob den Kelch an und trank den Inhalt in einem Zug aus.
Die Stimmen verstummten endlich, es wurde still.
KLICK! Die Truhe öffnete sich!
Hin und hergerissen sahen sie abwechselnd zur Truhe und zu Tom.
Er fühlte sich unverändert. Es hatte nach einfachem Wasser geschmeckt und er hoffte, Wolfgang würde mit seiner These Recht behalten.
»Dir geht es gut, ja?«, ergriff Silvia das Wort.
Tom nickte, beugte sich wortlos über die Truhe und öffnete den letzten doppelten Boden, das letzte Versteck. Wieder lag dort ein Ledersäckchen, wie auch Tom es auf seinen Veranstaltungen nutzte, auf dem dunkelroten Samtbeschlag.
Er hielt den Sack in die Höhe. »Möchte jemand vorlesen?«
Niemand wollte. Die Stimmung war am Gefrierpunkt. Tom befreite die letzte Botschaft aus ihrer Hülle, faltete den Zettel auseinander und las vor:
Schatzsucher, bald habt ihr es geschafft!
Doch für den Kampf gegen Geister
Gebe ich zur Hand, eine Waffe für euren Meister
Durch den Weg ins dunkle Land.
Dort wo einst der >Tod< stand, findet ihr es. Die Schatzgeister
erwarten euch zu eurem letzten Spiel!
Viel Erfolg!
Sie ließen die Worte eine Zeit lang schweigend auf sich wirken.
»Ich sag es ja, es klingt doch schon versöhnlicher, oder?«, sah Wolfgang seine These bestätigt.
»Das ist echt das Krasseste, das ich je erlebt habe«, sagte Sascha mehr zu sich selbst, als zu den anderen.
»Wo der Tod stand«, sinnierte Tom und entschlüsselte das Rätsel.
Das Wort ›Tod‹ war dort an die Wand geschrieben worden, wo nun der Tisch stand. Tom schob ihn zur Seite und tastete die Wand ab. Nichts als glatter Beton, keine Fuge, kein Spalt.
»Was machst du da?«, fragte Wolfgang.
»Ich suche nach der Waffe gegen Geister«, antwortete Tom und betrachtete nachdenklich den Tisch.
»Den Hinweis kann nur ich verstehen. Dort an der Wand, wo der Tisch stand, hatte er das Wort ›Tod‹ an die Wand geschrieben – rot und schwarz und mannshoch.«
Tom beschrieb mit einer Geste das Ausmaß des Wortes und fühlte, wie Wut in ihm kochte und er Mühe hatte, sich zu beherrschen. Immerhin, das hatte sein Feind geschafft – einen Keil zwischen ihn und die anderen zu treiben. Ihn zu isolieren und die anderen an seiner Glaubwürdigkeit zweifeln zu lassen. Und immer noch erkannten sie nicht, dass er
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