Toete John Bender
ihn zur Ruhe auf.
Wolfgang nickte. Tom gab ein Zeichen zum Weitergehen, Sascha suchte mit seiner Lampe nach der Bresche, fand sie und sie folgten ihr. Ein lang anhaltender Donner ließ sich vernehmen, mehrere Blitze folgten kurz aufeinander und im diffusen Schein des letzten Lichtes erblickte Tom den Fremden, höchstens fünf Meter von ihnen entfernt. Sein Umriss wurde von den knorrigen Ästen zerteilt, hinter denen er sich verbarg. Hatte er sich verborgen oder wollte er sogar gesehen werden? Nur kurz kam Tom der Gedanke.
»Da! Da ist er!« Tom führte Saschas Arm mit dem Strahl der Taschenlampe und sie konnten den Fremden regungslos stehen sehen. Dann wandte dieser sich um und lief durch das Dickicht.
Ehe Sascha protestieren konnte, riss ihm Tom die Lampe aus der Hand. »Los jetzt, Jens!«, rief er und rannte los.
Zweige peitschten ihm ins Gesicht, Äste barsten, splitterten, bohrten sich in Textilien und Haut, hielten ihn auf. Er sah den Fremden vor sich. Auch der hatte mit dem Totholz zu kämpfen. Tom glaubte, ihn – neben dem Brechen von Holz – keuchen und schnaufen zu hören. Er duckte sich. Fast wäre ihm etwas ins Auge getrieben. So bescherte er sich einen blutigen Kratzer auf der Wange. Weiter! Er durfte ihn nicht verlieren.
»Jens?«, schrie er. »Wo bist du?«
»Hinter dir, Tom. Du bist zu schnell!«
Egal! Er hatte sich auf wenige Schritte vorangekämpft, lief geschickter, war wendiger, als der Fremde vor ihm. Langsam lichtete sich das Gehölz. Tom sah weit vor sich Lichter im Wald. Lichter, wie die von Fackeln. Irritiert stockte er kurz, fiel wieder einen Schritt zurück, beschleunigte, holte auf und setzte zum Sprung an, mit dem er den Anderen von den Beinen reißen wollte, als es ihn von den Füßen holte! Aus vollem Lauf stolperte er über einen am Boden zwischen zwei Bäumen gespannten Strick, ruderte mit den Armen, um den Stoß auszubalancieren, doch dafür war der Boden zu uneben. Er strauchelte ein weiteres Mal und fiel hin. Ein umgestürzter Baumstamm, auf den er mit seinem Kopf und seinem Oberkörper fiel, raubte ihm die Luft zum Atmen. Vor Schmerzen stöhnte er auf und blieb benommen liegen.
»Tom?«
Er ächzte, versuchte sich auf die Seite zu drehen.
»To-hom?« Jens näherte sich. Tom konnte das Knacken der Äste unter dessen Schritten hören, sah den dünnen Lichtfinger seiner Taschenlampe, die er beim Sturz fallen gelassen hatte und griff nach ihr.
»Tom, wo bist du?«
»Hier«, antwortete er schwach, sein Brustkorb schmerzte. Er leuchtete mit der Lampe in die Richtung, aus der er Jens' Stimme vernommen hatte.
»Hier bin ich«, wiederholte er, stützte sich ab und versuchte aufzustehen. Was waren das für Lichter, die er gesehen hatte? Er taumelte, hielt sich an einem Baumstamm fest, hielt sich die Seite – aber … er stand!
»Tom? Da bist du ja! Was ist passiert? Ich habe dich schreien gehört.« Jens war vor Anspannung außer Atem. »Hier sind wir«, rief er dann in die Dunkelheit hinter sich hinein, Sascha und die anderen waren ihm gefolgt.
»Ich hatte ihn beinahe, aber das Schwein hat mich in eine Falle gelockt. Da vorne muss irgendwo ein Seil gespannt sein. Darüber bin ich aus vollem Lauf gestürzt.«
Tom streckte sich vorsichtig und drehte den Oberkörper hin und her. Es schmerzte, aber es ging. Sein linker Unterarm blutete – eine große Schürfwunde, die er sich zugezogen hatte, als er seinen Sturz abfangen wollte.
»Warte! Ich hab’ Lichter gesehen, wie von Fackeln, oder so.« Er deutete in die Richtung und Jens folgte seinem Blick dorthin. Tatsächlich leuchtete dort etwas. Tom bemühte sich um Orientierung. »Das könnte vom Bunker kommen. Das Licht, meine ich.«
»Verdammt, was ist denn das?«, flüsterte Jens, »Wirklich Fackeln?«
»Schätze schon.«
Jens sah sich um, ob die anderen schon aufgeholt hatten. »Hast du das geplant? Mit dem Bunker, mit dem Typen? Ich bin mir wirklich unsicher, ob du mich in den April schicken willst, aber mir ist das nicht mehr ganz geheuer.«
Jens sah ihn jetzt eindringlich an.
Tom lachte. »Der Typ ist mir erst mal nicht geheuer, Jens. Und wenn wir ihn haben, dann klärt sich so einiges. Aber jetzt ist er weg. So'n Scheiß!« Sie warteten, bis die anderen zu ihnen aufgeschlossen hatten.
»Was ist denn mit dir passiert?«, wollte Sascha wissen, der als Erster durch das Unterholz zu ihnen brach und Tom im Schein der Taschenlampe betrachtete.
»Bin gestürzt. Der Typ hat da hinten irgendwo einen Fallstrick gespannt …
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