Töte mich - Osborne, J: Töte mich - Kill Me Once
nickte. »Ich weiß. Aber Crawford meinte, die Zeitung wäre längst draußen, bis der richterliche Beschluss durch sämtliche Instanzen gegangen sei. Von wegen Pressefreiheit und das alles. Er meinte, uns wären die Hände gebunden.«
Dana schüttelte verärgert den Kopf. Crawford Bell hatte während seiner gesamten Karriere niemals vor irgendjemandem klein beigegeben, nicht einmal vor dem Präsidenten der Vereinigten Staaten – und jetzt kniff er vor einem unbedeutenden Zeitungsmann den Schwanz ein? Was wollte er vor ihnen verbergen? Und wo war er überhaupt? Unterwegs zu seinem nächsten Opfer?
Ihr Magen brannte. »Was machen wir jetzt?«
Sollten sie Crawford beschatten lassen? Es war eine Sache, wenn sie und Brown das Schlimmste befürchteten, doch waren sie auch imstande, jemanden wie Direktor Krugman zu überzeugen? Hatten sie konkrete Anhaltspunkte oder Indizien, die Crawford mit den Verbrechen in Verbindung brachten?
Brown schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ahn Howsers Vater hat erzählt, seine Tochter hätte viel Zeit online verbracht. Vielleicht ist das eine Verbindung zwischen den Opfern. Ansonsten habe ich keine Idee.«
Dana sah Brown in die Augen und erzählte ihm mit leiser Stimme von Crawfords Tumor. Sie schuldete ihrem Mentor keine Loyalität mehr. Jetzt nicht mehr – nach allem, was er getan hatte.
Brown wirkte müde. Er schien zu erschöpft, um noch von irgendetwas überrascht zu sein, nicht einmal von einer Bombe wie der, die Dana soeben gezündet hatte. »Sie müssen Krugman informieren, das wissen Sie doch?«, fragte er.
»Ja. Ja, ich weiß.«
66.
Dana verließ das Büro und rief Crawford übers Handy an. Vielleicht konnte er ja alles erklären. Es war nur eine vage Möglichkeit, aber sie musste ihm diese letzte Chance geben.
Er meldete sich nicht.
»Verdammt, Crawford!«, fluchte sie leise vor sich hin. »Wo steckst du bloß?«
Sie duckte sich in ein Starbucks Café einen halben Block von ihrem Büro entfernt und bestellte sich einen großen schwarzen Kaffee, bevor sie sich an einen freien Tisch setzte.
Es sah nicht gut aus. Wenn Crawford wieder mordete und sie nichts gesagt hatte … nun ja. Und wenn sie ihn fanden und sie sich irrte, wäre niemand auf der Welt glücklicher als sie.
Dana kramte ihr Mobiltelefon hervor und wählte eine Nummer. Sie konnte ihren Verdacht nicht länger für sich behalten. Sie brauchte Hilfe. Hilfe aus der Chefetage.
Nach sechsmaligem Läuten meldete sich eine tiefe Stimme. »Krugman hier.«
Dana atmete tief durch und richtete sich in ihrem Sessel auf. »Special Agent Dana Whitestone, Sir. Ich muss mit Ihnen reden. Es geht um Crawford Bell.«
Der Direktor rief jemandem in seinem Büro etwas zu, ehe er sich wieder meldete. »Wissen Sie, wo er steckt? Wir haben seit letzter Nacht keine Verbindung mehr zu ihm. Ich habe versucht, ihn zu erreichen.«
»Nein, Sir«, antwortete Dana. »Ich habe keine Ahnung, wo er steckt. Das ist ja das Problem.«
»Warum sagen Sie das?«
Dana berichtete Krugman in knappen Worten von ihrem und Jeremy Browns Verdacht. Sie erzählte ihm alles, angefangen von den perfekt nachgestellten Morden, die sich an Crawfords Einführungsvorlesung orientierten, über sein fortwährendes Versäumnis, ihr ein Profil des Killers zu liefern, bis hin zu seiner Enthüllung, dass er an einem unheilbaren Hirntumor litt und aller Wahrscheinlichkeit nach bald sterben würde.
»Das kann doch nicht wahr sein!«, rief Krugman. »Halten Sie die Stellung, Agent Whitestone. Ich bin in ein paar Stunden bei Ihnen vor Ort. Wenn Sie recht haben mit Ihrem Verdacht – und ich hoffe inständig, Sie irren sich –, ist das eine Katastrophe sondergleichen. Wie dem auch sei, dieser Fall hat soeben eine dramatische Wendung genommen.«
Dana klappte ihr Handy zu. Wenigstens Krugman schien ihre Befürchtungen ernst zu nehmen. Und wenn er bereit war, nach Cleveland zu kommen, hatte er wegen der Mordserie wohl eine Menge Druck aus dem Weißen Haus bekommen. Es war ohne Beispiel, dass ein Direktor des FBI sich persönlich in einen Fall einschaltete, den er eigentlich problemlos von D. C. aus mitverfolgen konnte. Offensichtlich hatte der Präsident ein Machtwort gesprochen.
Dana seufzte. Wie lautete noch mal das Motto?
Ja, richtig.
Halte die Hoffnung am Leben.
67.
An eine Wand seiner Wohnung hatte Nathan mit schwarzem Magic Marker eine Botschaft geschrieben:
SOLANGE DANA WHITESTONE LEBT,
WIRD ES KEINEN FRIEDEN GEBEN,
SONDERN MORDE, MORDE,
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