Töte mich - Osborne, J: Töte mich - Kill Me Once
Augen geschlossen hatte. Blieb nur noch die sorgfältige Ausführung des längst geschriebenen Skripts.
Weitere zehn Minuten vergingen, bevor die junge Frau sich erhob und ihre Sachen einsammelte. Sie lächelte ihm freundlich zum Abschied zu, und Nathan erwiderte ihre Gefälligkeit. Als sie durch die Tür war, wartete er eine geschlagene Minute, während er den Sekundenzeiger auf seiner Rolex beobachtete, bevor er sich erhob und ihr in diskretem Abstand folgte. Der Himmel war wolkenverhangen, die Nacht außergewöhnlich dunkel.
Er war bereits in seine Rolle geschlüpft. Nun wurde es höchste Zeit, die Kleidung zu wechseln. Schließlich war es von grundlegender Bedeutung, auf diejenigen zu verweisen, die vor ihm gekommen waren. Sich zu erinnern, wer den Weg geebnet hatte.
Und ihnen eine lange Nase zu machen.
Während er der jungen Frau auf dem Weg zu ihrem Wohnheim folgte, schweifte er in Gedanken zurück bis in die Zeit seiner frühesten Studien und erinnerte sich an den Mann, zu dem er bald schon werden würde.
Richard Franklin Speck, geboren am 6. Dezember 1941 in Kirkwood, Illinois, besuchte mit neunzehn Jahren ein Tattoo-Studio und ließ sich BORN TO RAISE HELL in den Arm tätowieren – ZUM TÖTEN GEBOREN. Mit vierundzwanzig war er in der Gegend von Jeffrey Manor in Chicago in ein Schwesternwohnheim eingedrungen und hatte acht Schwesternschülerinnen des South Chicago Community Hospital auf bestialische Weise umgebracht. Am 5. Dezember 1991 – genau einen Tag vor seinem fünfzigsten Geburtstag – war er im Silver Cross Hospital in Joliet an einem massiven Herzinfarkt gestorben, nachdem er wegen Schmerzen in der Brust eingeliefert worden war.
Nathan seufzte. Egal. In diesem Fall war der Tod nur eine vorübergehende Angelegenheit gewesen. Dank seiner Bemühungen würde Richard Speck schon bald in all seiner Herrlichkeit wiedergeboren werden, um zu beenden, was er vor mehr als vierzig Jahren begonnen hatte.
Nachdem er dem Mädchen in sicherem Abstand zu ihrem Wohnheim gefolgt war, eilte er zu Fuß zu seinem Acura zurück, um seine Arbeitskleidung überzuziehen. Zum Schluss schob er die Skimaske in die Tasche seines schweren schwarzen Mantels, glitt hinter das Lederlenkrad des Acura und ließ den Motor an.
Während er über den Campus zum Wohnheim fuhr, erfüllte einmal mehr die volle Stimme des Erzählers das Wageninnere.
Drei Minuten später war er auf dem Parkplatz des Wohnheims angekommen. Er stieg aus, streifte den Mantel ab und brachte das falsche Tattoo an seinem linken Oberarm an. Es waren wie immer die Details, die zählten. Zusätzlich zu allen anderen Gemeinsamkeiten teilten Nathan und Speck jetzt auch die gleiche Tinte.
Beinahe hätte Nathan bei diesem Gedanken laut aufgelacht. Waffenbrüder.
Einen Moment später tauchte das Mädchen unvermittelt wieder auf. Es kam mit gesenktem Kopf aus der Hintertür und überquerte mit raschen Schritten den Campus.
Nathan stand offenen Mundes da. Sie war keine zwanzig Meter entfernt an ihm vorbeigegangen und hatte ihn nicht bemerkt. Sie hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, den Blick zu heben.
So ein dämliches kleines Luder.
Um das Ganze sportlich zu gestalten, gab er ihr fünf Minuten Vorsprung, bevor er aus dem Wagen stieg. Auf dem Weg über den Parkplatz zog er ein Knöllchen unter dem Scheibenwischer eines alten Chrysler Sebring hervor und stopfte es sich in die Jeans. Eine weitere Brotkrume, der Dana Whitestone folgen konnte.
Während er dem asiatischen Mädchen lautlos über den verlassenen Pfad folgte, dankte Nathan den dunklen Göttern für seine außergewöhnlich scharfen Augen. Sie war nur noch fünfzig Meter vor ihm, und er näherte sich rasch.
Sekunden später hatte er die Distanz halbiert, und dann noch einmal.
Als er nur noch zehn Meter hinter ihr war, vernahm er plötzlich das Geräusch eines Fahrzeugs auf dem Fahrweg hinter sich. Schlagartig schlug ihm das Herz bis zum Hals, und er huschte hinter ein paar Sträucher am Wegesrand, von wo er in fassungslosem Staunen beobachtete, wie zwei Wachleute in ihrem grotesk modifizierten Golfwagen um die Ecke bogen.
Nathan musste sich zusammenreißen, um nicht dem überwältigenden Drang nachzugeben, mit einem markerschütternden Schrei aus den Büschen hervorzuspringen und die beiden mit bloßen Händen zu erwürgen. Er atmete mehrmals tief durch und zwang sich zur Ruhe. Seine Emotionen kochten hoch, und das war immer ein gefährliches Zeichen. Wenn man wütend war, beging man dumme
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