Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
verantworten? Ich nicht!«, rief er und murmelte dann in seinen Bart. »Nimm den Hintereingang, aber sieh zu, dass dich niemand sieht.«
»Dann eben nicht«, sagte Forsberg laut und nickte dem Bärtigen zu. Der Feuerwehrmann zwinkerte und ging wieder seiner Arbeit nach, die offenbar darin bestand, mit irgendwem zu telefonieren.
Wichtige Dinge, dachte Forsberg, während er sein Rad um die Ecke schob.
Vor dem Hintereingang stand ein junger Streifenpolizist, der vor Forsbergs Dienstmarke und seinem forschen »Kommissar Forsberg, Spezialeinheit Gebäudesicherheit« respektvoll zurückwich.
Das Treppenhaus sah aus wie immer, nur lag mehr Staub als sonst auf den Stufen, der die Sohlenabdrücke der geflüchteten Mieter zeigte. In seinem Wohnungsflur schien zunächst alles unverändert, aber im Schlafzimmer bog sich die Decke durch wie eine Hängematte. Forsberg machte sich lang und zog seine Sporttasche vom Schrank herunter. Keine gute Idee. Sie war bedeckt von rotem Ziegelstaub, der nun auf ihn herabrieselte und ihn einnebelte. Das Zeug brannte in den Augen.
Wichtige Dinge
Durch einen Tränenschleier in der Sicht behindert, riss er wahllos ein paar Kleidungsstücke aus dem Schrank und stopfte sie in die Tasche. Im Bad lag der Spiegel zerbrochen im Waschbecken. Forsberg konnte sein Rasierzeug und die Zahnbürste retten. Aus dem Wohnzimmer, in dem keine Spuren von Verwüstung zu bemerken waren, nahm er einen Ordner mit Papieren, deren Wiederbeschaffung höchst lästig geworden wäre, das Fotoalbum von Annika und seinen Laptop mit, den Bergeröd neulich als »Dinosaurier« bezeichnet hatte. Gut, dass ich mir noch immer keinen neuen Fernseher angeschafft habe, dachte Forsberg und warf noch eine Handvoll CD s in die Tasche. Die meisten hatte er schon jahrelang nicht mehr gehört. Musik mogelte sich am Verstand vorbei, direkt in seine Seele, und diesem schutzlosen Zustand hatte er sich nicht allzu oft aussetzen wollen. Seine Bücher. Für die war jetzt kein Platz. In der Küche lag eine Schicht von Putz und Mauerwerk über allem und er konnte durch den Riss in der Wand auf die Straße schauen. Die Postkarten! Er grub sie unter einem Haufen Schutt hervor, der auf dem Küchentisch lag. Wieder wurde er eingestaubt, dieses Mal von weißgrauem Mörtel. Zwischen den Mauerbrocken bemerkte er eine kleine Plastikpuppe, die nicht zu seinem Hausstand gehörte. Er sah nach oben. Der Riss in der Decke war armdick, durch die Staubschlieren konnte er bis in die Küche der Biriats schauen. Er verspürte einen Niesreiz, den er unterdrückte, in der irrationalen Angst, sein Niesen könnte das Haus endgültig zum Einsturz bringen, wie in einem Comic. In der Tasche war noch Platz für Annikas Foto, das schmutzig, aber unversehrt auf dem Kühlschrank stand. Und sein Schweizer Messer. Der betagte Zanussi selbst funktionierte noch einwandfrei, Forsberg evakuierte daraus ein Sixpack Norrlands Guld und die angebrochene Wodkaflasche, ehe er den Stecker herauszog. »Sorry, Kumpel«, murmelte er und dann sah er zu, dass er wegkam. Erst im Flur fiel ihm ein, dass er gar nicht in Annikas Zimmer gewesen war. Aber was sollte er von dort auch mitnehmen? Was würde sie mitnehmen, was sie nicht schon mitgenommen hatte? Er verzichtete darauf, den Raum noch einmal zu betreten, und als er die Tür hinter sich zuzog, war ihm klar, dass er nie mehr zurückkommen würde. Seltsamerweise fühlte er dabei gar nichts.
»Ich hätte da etwas ganz Besonderes: das Wohnrecht für ein exklusives Dachstudio in Vasastaden, super Lage, toprenovierter Altbau, Tageslichtbad, Parkett, gerade erneuert, sechzig Quadratmeter plus ein großer Balkon zur Südseite, was sagen Sie dazu?«
»Sehr schön. Aber eigentlich wollte ich«
»Sie wissen ja wohl auch, was die drei wichtigsten Punkte bei der Immobiliensuche sind? Lage, Lage, Lage! Und diese hier ist wirklich 1a!«
Der kleine, rundliche Mann breitete die einzelnen Seiten des Exposés vor Selma aus und strahlte sie an wie der Vollmond. »Das dürfen Sie gerne mitnehmen.«
»Ja, danke«, sagte Selma. »Aber jetzt bin ich dienstlich hier. Sie haben im Juli eine Wohnung am Schlosswald verkauft, die Besitzerin hieß Lillemor Ahlborg.«
Der Makler zog eine Schnute und schüttelte den Kopf.
»Haben Sie noch andere Mitarbeiter?«
»Nein, ich bin ein Ein-Mann-Unternehmen«, sagte Viktor Arvidsson stolz. »Seit fünfzehn Jahren die Top-Adresse in Göteborg. Meine Kunden kommen immer wieder oder schicken inzwischen schon ihre Kinder
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