Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
gebrochenen Gliedern hatte sie ihn in wüsten Bildern vor sich gesehen. Dann hatte Evas Mutter erzählt, dass Dag jetzt bei Martas Schwester in Malmö wohnte. »Ist sicher das Beste für ihn«, sagte sie.
Seither hatte Eva nichts mehr von Dag gehört, und als die Cederlunds Mitte der Neunziger in Långedrag bauen ließen und wegzogen, studierte Eva bereits in Uppsala. Bis heute fragte sie sich manchmal, ob Dag wusste, wer ihn damals verraten hatte. Und ob ihre spätere Festanstellung beim Dagbladet ihr Judaslohn gewesen war.
Der Trauergottesdienst war vorbei, und mit dem Segen strömte die Menge ins Freie wie eine Herde schwarzer Schafe. Da Eva vorn gesessen hatte, war sie eine der Letzten, die die Kirche verließ. Sie hielt Ausschau nach ihren Kollegen, als Marta Cederlund zielstrebig auf sie zukam. Kondoliert hatte Eva schon, aber nun bedankte sich Marta für ihr Kommen und erkundigte sich nach Evas Mutter. Ihr Blick ließ darauf schließen, dass ihr Interesse ernst gemeint war und sie nicht nur aus Höflichkeit gefragt hatte. Also antwortete Eva wahrheitsgemäß: »Nicht gut. Sie hat Krebs, es wird keine Heilung geben.«
Marta nickte. »Ich hörte davon. Es tut mir sehr leid. Sie ist eine liebenswerte Frau.«
»Ja, das ist sie.« Nun kämpfte Eva plötzlich doch noch mit den Tränen.
»Und du hast geheiratet, hörte ich.«
»Ja, vor vier Monaten«, sagte Eva. Stieg hatte halbherzig gefragt, ob er sie begleiten sollte, aber Eva hatte abgelehnt. Es sei mehr ein dienstlicher Termin, der Tote stünde ihr nicht besonders nah. Stieg war erleichtert gewesen, denn er ging nie zu Beerdigungen und mied auch sonst alles, was traurig machte.
»Dein Nachruf auf meinen Mann hat mir gefallen«, sagte Marta.
Eva dankte ihr lächelnd. Ein Lob aus ihrem Mund, das bedeutete schon etwas.
»Ich lese alle deine Artikel. Auch die im Expressen und im Svenska Dagbladet .«
Es wunderte Eva, dass Marta so gut über ihre Veröffentlichungen informiert war. Las sie etwa täglich mehrere Zeitungen? Genug Zeit dazu hätte sie ja, soweit Eva informiert war, war Marta Cederlund nie einer Berufstätigkeit nachgegangen. Oder hatte ihr Mann ihr die Artikel zu lesen gegeben?
Plötzlich trat Marta dicht an Eva heran, umklammerte ihren Oberarm und blickte ihr unter ihrer Hutkrempe heraus fest in die Augen. Dazu musste sie den Kopf in den Nacken legen, denn Eva war fast eins achtzig groß. Abgesehen von förmlichem Händeschütteln war es bestimmt das erste Mal, dass Marta sie berührte, und beinahe wäre sie zurückgezuckt. Sie konnte sich aber gerade noch beherrschen.
»Ich muss mit dir reden, Eva.« Martas Stimme, obwohl leise geworden, hatte einen erregten Unterton.
»Ja, sicher, gern.«
»Nicht hier. Kannst du zu mir kommen?«
»Natürlich. Wie wär’s morgen Abend?«
Marta ließ Evas Arm wieder los und schüttelte den Kopf. »Dag und seine Frau bleiben noch ein paar Tage. Es gibt noch einiges zu regeln.« Ihre Miene ließ die Vermutung zu, dass ihr der Besuch nicht unbedingt angenehm war.
»Worum geht es denn?«, fragte Eva.
»Es hat mit meinem Mann zu tun. Ich bin da auf etwas gestoßen... ich weiß nicht, was ich damit machen soll. Mit Dag kann ich nicht darüber sprechen. Ich brauche deine Hilfe. Und Diskretion.«
Evas Verwunderung wuchs. Was konnte so heikel sein, dass Marta es ihrem Sohn nicht anvertrauen wollte? Wie war wohl das Verhältnis zwischen den beiden?
»Ruf mich einfach an, wenn es dir passt«, sagte Eva und entfernte sich, denn einer der Trauergäste steuerte auf Marta zu. Hellbraune Hundeaugen, grauer Dreitagebart, das Jackett, das um die Körpermitte ein wenig spannte, war vor zehn Jahren modern gewesen und das borstige, an den Schläfen ergraute Haar hätte mal wieder einen Schnitt vertragen. Greger Forsberg.
Marta Cederlund streckte dem Kommissar hastig die Hand entgegen, was aussah, als zücke sie ein Schwert.
Was, fragte sich Eva, hatte Forsberg hier verloren? Gab es da vielleicht etwas im Zusammenhang mit Cederlunds Selbstmord, das die Presse nicht erfahren hatte? Irgendeine Unstimmigkeit? Zu gern hätte Eva versucht, etwas von dem Gespräch aufzuschnappen, aber sie wollte nicht als Lauscherin ertappt werden. Sie nickte Forsberg kurz und ohne eine Gesichtsregung zu. So ganz hatte sie ihm noch immer nicht verziehen, wie er sie vor vier Jahren behandelt hatte, obwohl er ja auch nur seinen Job gemacht hatte. Dann wandte sie sich um und stand plötzlich vor drei schwarzen Gestalten: Leif, Fredrika und
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