Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
Achseln.
Der Bär wies keine Gebrauchsspuren auf und unterschied sich deutlich von den restlichen Made-in-China -Plüschtieren auf dem Kissen. Er war hübsch, irgendwie altmodisch, mit filzigbraunem Fell und Gelenken an Armen und Beinen. Das Bärengesicht mit den bernsteinfarbenen Glasaugen und der aufgestickten schwarzen Nase strahlte Melancholie aus und erinnerte Selma ein wenig an Forsberg. Es war ein Bär, wie ihn sich infantil veranlagte Erwachsene kaufen würden. Auf einem Etikett stand: Bukowski Design AB, 14 250 Skogås/Sweden .
»Wann hat Valeria diesen Bären bekommen?«
»Zwei Wochen...« Die Mutter suchte nach Worten.
»Zwei Wochen vor ihrem Verschwinden?«
Sie nickte, auch als Selma fragte, ob sie sich den Bären ausleihen könne.
»Frau Bobrow, war Valeria in der letzten Zeit anders als sonst?«
»Anders?«
»Hat sie sich seltsam benommen? War sie traurig, aggressiv...?«
Die Mutter schüttelte den Kopf. Selma suchte in ihrem Gesicht nach Zeichen von Trauer, sah aber nur Müdigkeit.
Selma wusste, dass es eine Welt gab, in der Eltern ihre Kinder nicht liebten, weil sie gar nicht wussten, wie das ging. Eine Welt, in der nur das Geld zählte, das man nicht hatte, eine Welt, in der es Väter gab, die einfach verschwanden und nichts mehr von ihren Kindern wissen wollten. Die sich ihrem Weltschmerz hingaben, sich betranken und in einer Waldhütte erschossen.
Suizid durch Kopfschuss mit einer Schrotflinte.
Schon wieder dieser faulige Geschmack auf der Zunge. Selma fragte, ob sie mal aufs Klo dürfe.
Das Bad lag neben dem Kinderzimmer, und sie staunte, dass man Dusche, Waschbecken und Toilette auf so wenig Fläche unterbringen konnte. Zwei Zahnbürsten steckten in einem rosa Becher. Die von Valeria hatte die Spurensicherung konfisziert, zusammen mit ihrer Haarbürste, für den Fall, dass man eine DNA -Probe brauchte. Selma trank Wasser aus dem Hahn, dann öffnete sie den Spiegelschrank über dem Waschbecken. Fieberzäpfchen, Aspirin und eine recht stattliche Sammlung an Beruhigungs- und Aufputschpillen. Im unteren Fach lagerten Ersatzschnuller, Babypuder, eine größere Packung Kondome. Die andere Schrankseite beherbergte ein Arsenal von Schminksachen, eine Tube Gleitgel und ein Mittel, um Haare zu blondieren. Wo sie schon mal hier war, ging Selma wirklich aufs Klo und bemerkte aus dieser Perspektive den Wäscheeimer aus Plastik unter dem Waschbecken. Der Fuß eines Seidenstrumpfs hing heraus wie eine schwarze Zunge. Sie öffnete den Deckel. Eine pinkfarbene Mischung aus Schweiß und Parfum entströmte dem Eimer, und kurz darauf tauchte die Frage auf, ob Valerias Mutter zur nächtlichen Büroreinigung Netzstrümpfe, Stringtangas, transparente BH s und äußerst knappe Glitzertops trug.
Was nun? Selma wollte keinen Fehler machen, jetzt, wo Forsberg ihr langsam zu vertrauen schien. Frau Bobrow würde garantiert alles leugnen. Zwar wurden Prostituierte nicht bestraft, nur die Freier mussten sich vor Gericht verantworten, aber die Sache hatte natürlich einen Haken: Kam die Frau aus einem Land, das nicht zur EU gehörte, wurde sie ausgewiesen. Oxana Bobrow würde also einen Teufel tun und ihre Tätigkeit zugeben, und erst recht würde sie Selma die Information verweigern, die sie am meisten interessierte: wer ihr Zuhälter war. Höchstwahrscheinlich Ivan Krull, ihr »Freund«. Selma hatte sein Frettchengesicht mit dem aufsässigen Grinsen noch deutlich vor Augen. Krull hatte nicht zum ersten Mal auf einer Polizeiwache gesessen. Der kannte sich aus, der würde alles abstreiten. Bei Typen wie Krull halfen nur Beweise. Eine Hausdurchsuchung, eine Überwachung. Aber das musste Forsberg entscheiden, wahrscheinlich sogar Anders Gulldén. Sollte es dazu kommen, war es besser, wenn Krull sich vorerst sicher fühlte. Also nahm Selma den Bären unter den Arm und verabschiedete sich von Frau Bobrow, die am Küchenschrank lehnte, eine Zigarette rauchte und Kaffee trank. Selma fiel ein, dass sie ihren noch gar nicht angerührt hatte, aber so wie die Frau aussah, vertrug sie bestimmt noch eine zweite Tasse.
Forsberg erkannte Eva Röög, die Reporterin vom Göteborg Dagbladet, sofort, obwohl er sie eine ganze Weile nicht gesehen hatte. Ihr Haar war lang, lockig und kastanienbraun, ein zu großer Mund und ein ausgeprägter Indianerzinken standen im Kontrast zu leicht basedowschen, blaugrünen Augen unter weichen Lidern. Ein Gesicht wie ein Gemälde von Picasso, musste Forsberg beim Anblick der unregelmäßigen
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