Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
Forsberg ein.
»Aber dort kann man mich von allen Seiten sehen. Und außerdem gibt es da ja noch die Webcam. Sie filmt die südliche und östliche Hälfte des Platzes. Aber selbst, wenn ich das nicht wüsste, würde ich mich instinktiv lieber am Rand halten.«
»Du hättest auch quer durch die Markthalle und durch die Innenstadt gehen können«, schlug Forsberg vor.
Malin schüttelte den Kopf. »Nein. Wo Geschäfte sind, sind auch Kameras. Und wenn mir in einer der engen Straßen oder Passagen eine Streife entgegenkommt, sitze ich in der Falle. So hatte ich nur die Brücke als Nadelöhr, aber die hätte ich in einer Minute erreicht, wahrscheinlich noch bevor der Notruf einging. Und wenn ich erst mal den Kungsparken hinter mir und die Nya Allén überquert habe, dann gibt es zahlreiche Möglichkeiten: Ich kann in mein Auto steigen, das in einer der Seitenstraßen steht, ich kann bis zur Vasagatan gehen und die Straßenbahn nehmen. Oder ich durchquere den Park, gehe bis zum Storan, und auf dem Parkplatz hinter dem Theater wartet mein Wagen.«
Malins Gedankengang war ganz richtig. Vier Minuten nach Eingang des Notrufs war die erste Streife vor Ort gewesen. Zehn weitere Minuten verrannen, ehe eine Suchmeldung an alle Einsatzfahrzeuge und Dienststellen rausging. Zeit genug, um die genannten Ziele zu erreichen.
»Und warum würdest du nicht näher am Kungstorget parken?«, fragte Forsberg.
»Wo denn? Die paar Kurzzeitparkplätze vor der Halle? Damit mich jeder, der im Café sitzt, beim Einladen des Kindes beobachten kann? Außerdem werden diese Parkplätze mehr als eifrig kontrolliert, um die Stadtkasse aufzufüllen.«
Sämtliche Wagen, die an diesem Vormittag von der Verkehrsüberwachung aufgeschrieben worden waren, waren überprüft worden und auch die Aufzeichnungen der Webcam, die den Kungstorget filmte, hatte man analysiert. Aber die Auflösung war nicht sehr hoch und die Konzertbühne versperrte einen großen Teil des Sichtfeldes.
»Vielleicht muss es gar kein Auto sein«, überlegte Malin. »Ein Fahrrad mit Kindersitz tut’s auch. Das könnte ich im Park deponiert haben, oder gleich hinter dem Platz.«
»Und der Buggy«, wandte Forsberg ein. »In den Kanal werfen wäre zu auffällig. Es hat sich niemand gemeldet, der einen leeren Kinderwagen gefunden hat.«
»Das heißt ja nichts. Ein schöner Wagen findet schnell einen Abnehmer. Auf die Ladefläche eines Christiania-Rads, beispielsweise, passt ein Kind samt Buggy.«
Selma hatte die ganze Zeit stumm dagesessen und dabei scheinbar teilnahmslos die inzwischen wieder schlafende Wilma betrachtet. Jetzt saugte sie mit dem Strohhalm geräuschvoll den Rest ihres Milchshakes auf, stellte das Glas hin und stieß hervor: »Das ist doch Bullshit!«
Harmonie, Frieden , dachte Forsberg.
»Das Rad?«, fragte Malin etwas pikiert zurück. »Ich gebe zu...«
»Nein, die Aussage der Mutter.« Aus dem Gedächtnis zitierte Selma die Stelle aus Tinka Hanssons Vernehmungsprotokoll, nachdem Forsberg sie gefragt hatte, warum sie den Buggy denn überhaupt neben dem Stand abgestellt hatte. »Weil vor dem Stand dichtes Gedränge herrschte. Ich wollte den Passanten nicht im Weg sein.« Selma tippte sich an die Stirn. »Von den Müttern, die ich kenne, würde keine einzige ihr Kind neben dem Stand abstellen. Da kann das Gedrängel noch so groß sein. Die fahren dir eher mit ihrer Karre in die Hacken oder stehen eben allen im Weg.«
»Stimmt, so kenne ich das auch«, sagte Malin. »Bloß keine Rücksicht auf andere, Hauptsache mein Kind und ich ... «
Forsberg staunte. Besonders von Malin hätte er derlei Ressentiments nicht erwartet. Er hatte das penetrante Ticken ihrer biologischen Uhr noch gut im Ohr. Seit zwei Jahren war sie verheiratet, und Forsberg rechnete täglich damit, sie jubelnd und ein Ultraschallbild schwenkend durch die Gänge des Präsidiums laufen zu sehen. »Und da heißt es immer, wir wären eine kinderfreundliche Gesellschaft«, bemerkte er.
»Kinder sind okay. Die Mütter nerven«, sagte Malin, und Selma kam zu dem Schluss: »An der Aussage von Tinka Hansson ist irgendetwas faul.«
Forsberg schaute auf die Uhr. »Müsste die Russin nicht schon längst da sein?«
»Ja«, sagte Selma.
Oxana Bobrow, die Mutter der verschwundenen Valeria, sollte zu einer erneuten Befragung im Präsidium erscheinen. Der Fall machte überhaupt keine Fortschritte, und Forsberg war inzwischen überzeugt, dass ihnen die Frau bei den ersten Befragungen etwas verheimlicht hatte.
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