Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
Leica-Spiegelreflexkamera und Holger Nordin besaß eine wunderbare alte Hasselblad. Leander musste zugeben, dass ihre Bilder die gelungensten waren. Besonders die seiner Mutter waren kleine Kunstwerke. Vielleicht hatte einer von ihnen ein Foto von Lucie gemacht, das sie in diesen Schuhen zeigte. Natürlich war Leander klar, dass dieser Schuh im Grunde nicht allzu viel bedeutete. Dass diese fieberhafte Suche nach Bestätigung seiner Existenz auf Fotos lediglich dazu diente, sich abzureagieren und sich vor den eigentlichen Fragen zu drücken: War diese Sache ernst zu nehmen? Jemanden töten! Was für ein Irrsinn! Und wie sollte er es mit Tinka halten – sie einweihen oder nicht?
Er saß im Schneidersitz auf dem Fußboden, hinter dem Sessel, das Album auf den Knien. Das letzte war nur halb gefüllt. Bilder aus dem Urlaub, Lucie im Sand, Lucie am Strand. Da hatte sie diese Schuhe noch nicht besessen. Dann gab es ein paar Fotos aus Liseberg, man erkannte die hölzerne Achterbahn im Hintergrund. Sie waren von Holger aufgenommen worden. Greta war auch dabei, man sah sie auf einem Bild mit Lucie und Tinka. Lucie trug ein buntes Kleid und blaue Sandalen. Das waren die letzten Bilder von ihr. Juli 2007 stand auf der Rückseite. Er war so vertieft in die Aufnahmen und fuhr zusammen, als ein Schrei durch die Wohnung gellte.
Tinka hatte ihn offenbar in seinem Arbeitszimmer vermutet. Jetzt stand sie mit fragendem Blick da und hielt ihm den roten Schuh entgegen. Die Briefe lagen noch auf seinem Schreibtisch, bestimmt hatte sie sie schon gelesen. Zumindest eine Entscheidung war ihm nun abgenommen worden.
Er erzählte ihr von der SMS mit den Koordinaten und woher er den Schuh hatte.
»Und wann wolltest du mir das sagen?«
»Ich wollte nicht, dass du dich unnötig aufregst. Vielleicht ist alles nur ein kranker Scherz. Es gibt viele Irre auf dieser Welt.«
Tinka hielt noch immer den Schuh in der Hand. »Das sind Lucies Schuhe«, sagte Tinka. Ihre Stimme klang, als wäre sie gerannt. »Sie hatte sie an, an dem Tag. Meine Mutter hat sie ihr geschenkt, weißt du nicht mehr?«
»Ich war mir nicht ganz sicher«, sagte Leander.
Tinka ging auf ihn zu und legte den Kopf an seinen Hals. Ihre Schultern zuckten. Leander umarmte sie linkisch wie ein Teenager. Er war erleichtert, dass sie nun Bescheid wusste. Sie besaß einen klaren, analytischen Verstand, war pragmatischer und in manchen Dingen klüger als er. Ihre äußerliche Sanftheit täuschte. Sie konnte knallhart sein, wenn es darauf ankam, genau wie ihre Mutter Greta. Sogar rücksichtslos und schlitzohrig. Sie hatte ihre Ehe gerettet, indem sie zum richtigen Zeitpunkt entschlossen und kompromisslos die Zügel herumgerissen hatte: Sie oder wir. Eva oder Lucie. Wenn sie sich erst einmal beruhigt hatte – Leander erinnerte sich, wie fassungslos und verstört er selbst am Samstag auf den ersten Brief reagiert hatte –, dann würde sie vielleicht eher als er in der Lage sein, zu entscheiden, wie es nun weitergehen sollte. Er folgte ihr in die Küche.
Sie setzte Tee auf. Das tat sie immer, wenn sie nervös war oder nachdenken musste. Leander merkte, wie er Kopfschmerzen bekam und massierte sich die Schläfen.
»Hat damals etwas von diesen Schuhen in den Zeitungen gestanden?«, fragte er.
»Ja, ihre Kleidung wurde ausführlich beschrieben.«
Tinka maß den losen Tee ab und gab ihn in die Kanne, konzentriert und sorgfältig, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt. Dann wandte sie sich zu ihm um.
»Warum sollst du jemanden töten? Was ist das für eine perverse Idee?«
Leander zuckte mit den Achseln.
»Und wen denn? Und wie?«
»Tinka, ich habe dir alles gesagt, was ich weiß. Und das ist nur das, was in den Briefen steht.« Leanders Stimme war unabsichtlich laut geworden. Ihm schwirrte der Kopf, er konnte nicht klar denken, und das machte ihn reizbar.
»Ich denke doch nur laut nach«, gab Tinka zurück und fuhr damit auch gleich fort: »Warum kassiert er nicht die Belohnung, die mein Vater ausgesetzt hat? Warum verlangt er nicht einfach Geld und besorgt sich einen Killer?«
»Killer stehen nicht im Telefonbuch. Und nach diesen Berichten über die Firmenpleite... Vielleicht ist der Typ aber gar nicht an Geld interessiert, vielleicht geht es ihm um was anderes.«
»Um was denn?«
»Rache, Sadismus, irgendein abartiges Spiel?«, schlug Leander vor. »Jemand, der mich hasst, mich an meine Grenzen bringen will.«
»Wer denn?«, fragte Tinka. »Wenn du ein Richter wärst,
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