Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
ihr los war, wo sie lebte und wovon. Das musste sie als Polizistin doch hinbekommen, verdammt noch mal! Darüber hinaus fand sie es unmöglich von Holger Nordin, die Existenz seiner unehelichen Tochter einfach zu verschweigen, nachdem seine Enkelin entführt worden war. Die halbe Stadt hatte die Sonderkommission »Lucie« seinerzeit befragt und überprüft: Arbeitskollegen beider Eltern, Freunde, Nachbarn, Mütter, die mit Tinka Hansson im selben Kurs beim Babyschwimmen gewesen waren, Frauen, die zum Zeitpunkt von Tinkas Entbindung auf derselben Station gewesen warenUnd Tinka Hanssons Vater hatte es nicht für notwendig gehalten, die Existenz einer Halbschwester seiner Tochter zu erwähnen! Die vermutlich nichts von deren Existenz wusste, denn Tinka Hansson hätte das der Polizei sicherlich nicht verschwiegen.
Hier herumzusitzen und nichts tun zu können machte Selma ganz kribbelig. Wäre es nicht sinnvoller, überlegte sie, sich in die Höhle des Löwen zu begeben und dem alten Herrn mal auf den Zahn zu fühlen?
Malin saß am Steuer, und Forsberg schaute abwechselnd auf die graue Straße und in den grauen Himmel und dachte darüber nach, ob er vielleicht nur mitfuhr, um sich zu vergewissern, dass es nicht Annika war. Immer wieder dasselbe, sobald irgendwo eine unbekannte Leiche gefunden wurde: der Schrecken, das Warten und schließlich die Gewissheit, dass er doch weiter in Ungewissheit leben würde. Manchmal versuchte er, sich auszumalen, wie es wäre, wenn es eines Tages Annika sein sollte. Würde er dann ihr Zimmer ausräumen? Umziehen?
Der Fundort der Leiche lag in einem Waldstück nordöstlich von Huskvarna, in der Nähe eines Sees mit dem Namen Pukasjön. Forsberg war noch nie dort gewesen. Kurz nachdem sie die Ortschaft Kaxholmen am Landsjön-See passiert hatten, schien die Welt nur noch aus Wald zu bestehen. Aber die wenigen Straßen, die es gab, reichten, um sich zu verfahren, und schließlich musste er mit dem Kollegen Abrahamsson, der bereits am Fundort eingetroffen war, telefonieren und Malin hielt an und gab die Koordinaten in das Navigationssystem des Dienstwagens ein, weil Forsberg es nicht hinbekam. Normalerweise hätte sie in einer solchen Situation mit Spott nicht gespart, aber sie verzichtete darauf. Das, was sie an ihrem Ziel erwartete, warf seinen Schatten voraus.
Dann waren sie wieder unterwegs und Malin schaute kurz zu Forsberg herüber.
»Irgendwie mag ich Selma. Obwohl sie manchmal schon unmöglich ist. Ich meine, ihr Umgangston und so. Als ob es ihr scheißegal wäre, was andere von ihr denken.«
» You can’t be everybody’s darling «, sagte Forsberg.
Malin lachte. »Weißt du, dass ihr euch verdammt ähnlich seid?«
»Blödsinn! Ich und der Vogel«
»Nenn sie nicht immer Vogel!«
Forsberg dachte über Vögel nach. Emsige Tiere, aber dem Menschen immer ein wenig fremd. Eine andere Spezies. Keine Kuscheltiere. Ja, Vogel passte schon ganz gut zum Vogel.
Das Navigationssystem schickte sie auf einen Feldweg mit waschbeckengroßen Schlaglöchern.
»Hat sie dir mal was Privates erzählt?«, fragte Forsberg.
»Was meinst du?«
»Was sich Frauen eben so erzählen.«
»Du willst wissen, ob sie eine Lesbe ist«, sagte Malin.
»Ja«, sagte Forsberg.
»Warum?«
Er hob stumm die Schultern. Pontus Bergeröd hatte kürzlich bemerkt, er erkenne eine Lesbe, wenn er eine vor sich hätte, und Selma wäre hundertprozentig eine. Woraufhin Forsberg geantwortet hatte, und er erkenne ein Arschloch, wenn er eines vor sich hätte. Wahrscheinlich behauptete Bergeröd das von jeder Frau, die nichts von ihm wissen wollte.
»Sie hat mir nichts erzählt«, sagte Malin.
»Und was denkst du?«
»Dass uns das nichts angeht.«
»Mir gegenüber hat sie mal einen Amundsen erwähnt. Aber in ihrer Wohnung ist keine Spur von ihm zu sehen, und es gibt auch keinen Kater, der so heißt.«
»Du warst in ihrer Wohnung?«
»Ja, gestern«, sagte Forsberg. »Schau gefälligst auf die Straße!«
»Und du?«, fragte Malin.
»Ich bin keine Lesbe«, sagte Forsberg.
»Hast du eine neue Freundin?«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Neue Frisur, neue Klamotten«
»Klamotten waren mal wieder nötig, und den Friseur werde ich verklagen.«
»Komm schon, mir kannst du es doch erzählen!«
»Da gibt’s nichts zu erzählen.«
Also schwiegen sie beide.
Mitten im Wald stand eine Armada von Fahrzeugen. Malin parkte am Ende der Schlange, und ein untersetzter rothaariger Mann kam auf sie zu.
»Erik Abrahamsson«,
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