Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
nuschelte er unter einem rötlichen Schnauzbart.
Forsberg wedelte ein paar Mücken weg und stellte Malin Birgersson vor.
»Wie sieht es aus?«
»Die gottverdammten Füchseam besten, ihr redet mit dem Rechtsmediziner.«
Ein junger Mann in Schutzkleidung machte sich an dem zu schaffen, was einmal ein kleiner Mensch gewesen war. Forsberg und Malin bekamen ebenfalls weiße Overalls gereicht, was Forsberg ausnahmsweise recht war, denn seit er ausgestiegen war, kam es ihm vor, als hätten die Mücken dieses Landstrichs einzig auf ihn gewartet, die Delikatesse aus der Stadt. Forsberg hatte schon öfter Leichen gesehen, die mehrere Wochen im Waldboden vergraben gewesen waren, er wusste, was ihn erwartete. Dennoch erschütterte ihn der Anblick. Vielleicht, weil es ein Kind war. Denn das sah man noch, auch wenn die Verwesung und die Füchse dem Leichnam arg zugesetzt hatten. Der Körper war in graue Müllsäcke eingewickelt gewesen, die jetzt zerrissen waren, und dazwischen sah man ein rosafarbenes Stück Stoff.
Der Mediziner richtete sich auf und wandte sich um. Er war fast einen Kopf kleiner als Forsberg und seine Gesichtszüge ließen auf asiatische Herkunft schließen.
»Cedric Tong«, stellte er sich vor und erklärte: »Die Plastiksäcke haben die Verwesung verzögert, weshalb ich nicht genau sagen kann, wie lange der Leichnam schon dort liegt. Die Fäulnis setzte erst richtig ein, nachdem er ausgebuddelt wurde, ich nehme an, das waren Füchse. Das Gesicht und die Weichteile weisen starke Spuren von Tierfraß auf.«
Vom Gesicht war so gut wie nichts mehr übrig.
Tong fuhr fort: »Es handelt sich um ein Kind weiblichen Geschlechts, Körpergröße eins zwanzig bis eins fünfundzwanzig, braunes Haar. Über die Todesursache kann ich noch nichts sagen.«
»Wir haben die DNA eines vermissten Mädchens asserviert, es sollte ein Abgleich gemacht werden«, sagte Malin.
Der Arzt nickte, dann rief er Abrahamsson zu, dass die Leiche seinetwegen weggebracht werden könne. Abrahamsson gab den zwei Männern ein Zeichen, die bereits einen metallenen Sarg aus dem Leichentransporter der Rechtsmedizin geladen hatten.
Forsberg wich zurück, um sie vorbeizulassen.
Sie legten das, was von der Leiche noch übrig war, in den viel zu großen Transportsarg, und Forsberg dachte darüber nach, wer wohl an Valerias Grab stehen würde. Würde ihre Mutter überhaupt erfahren, dass man ihr Kind gefunden hatte? Hatte sie, wo immer sie jetzt war, Zugang zu schwedischen Zeitungen, zum Internet? Aber vielleicht wusste sie ja längst Bescheid. Der zugenähte MundWorüber sollte sie schweigen?
Es ärgerte Forsberg, dass er es nicht aus ihr herausbekommen hatte. Bei den Befragungen hatte sie ängstlich gewirkt, manchmal teilnahmslos, dann wieder resigniert oder auch mürrisch. Aber traurig? Er dachte an Tinka und Leander Hansson, an ihre Verzweiflung, ihre Wut, ihre Schuldgefühle und ihre Traurigkeit.
Nein, sagte sich Forsberg, es ist unfair, die beiden Fälle zu vergleichen. Oxana Bobrow hatte nicht in einem Häuschen in einer schmucken Siedlung gelebt, sondern am schorfigen Rand dieser Stadt, am Rand der Gesellschaft dieses Landes.
Aber die Verantwortung für ein Kind ist dennoch dieselbe, hielt eine andere Stimme dagegen.
Im Lauf seiner über zwanzig Dienstjahre hatte Forsberg Menschen getroffen, denen ihre Kinder vollkommen egal waren. Die in ihnen nur eine Last sahen, eine geplatzte Illusion oder etwas, aus dem man Nutzen ziehen konnte. Er hatte es jedes Mal nicht wahrhaben wollen, hatte nach einem Funken Menschlichkeit gesucht, aber nur Gleichgültigkeit und Gier gefunden. Und schließlich war er zu der Erkenntnis gelangt, dass es Armut war, die sie hatte verrohen lassen. Als wären Gefühle ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnten. Valeria war ein armes Kind gewesen, geboren in einem Land mit einem Heer von armen Menschen und ein paar Oligarchen, die sich auf obszöne Weise in dem Geld suhlten, das sie ihrem Volk weggenommen hatten, und einer Regierung, die nichts dagegen unternahm. Oxana Bobrow war vermutlich nach Schweden gekommen, weil sie sich hier ein besseres Leben erhofft hatte. Aber auch hier hatte sie jeden Tag ums Überleben kämpfen müssen. Sie hatte ihren Körper verkauft, ihre Seele mit Drogen betäubt und möglicherweise auch Körper und Seele ihres Kindes verkauft. Oder hatte weggesehen, als andere es taten. Was war los mit dieser Gesellschaft, dass sie es nicht einmal schaffte, ihre Kinder zu beschützen? Je
Weitere Kostenlose Bücher