Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
älter er wurde, desto mehr näherte sich der Kommissar den politischen Ansichten seines Vaters Lasse Forsberg an, der ein Linker gewesen war und außerdem stets behauptet hatte, dass an jedem großen Vermögen Blut klebe.
Er spürte, wie ihn Wut ergriff, Wut auf Männer wie Cederlund. Er versuchte, sich mit dem Gedanken zu beschwichtigen, dass es noch gar nicht erwiesen wäre, ob Cederlund etwas damit zu tun hatte. Aber sein Instinkt sagte ihm, dass es so war. Diese Grube lag zu nah an Cederlunds Sommerhaus. Fünfundzwanzig, höchstens dreißig Kilometer. Als wäre er einfach losgefahren und dort abgebogen, wo das Navi ein größeres Waldgebiet anzeigte.
Wie war das Mädchen gestorben und warum? War es ein »Unfall« gewesen? Oder hatte sich das perverse Schwein einen besonderen Kick verschaffen wollen?
Die Türen des Leichentransporters schlugen zu. Forsberg verließ die abgesperrte Zone, zog den Schutzanzug wieder aus und überlegte dabei, ob er schon einmal gegen einen Toten ermittelt hatte.
Selma hatte dieser Tage in der Online-Ausgabe der Lokalzeitung gelesen, dass momentan ein Investor für den notleidenden Nordin-Konzern gesucht würde. »Notleidend« war jedoch das letzte Wort, das Selma in den Sinn gekommen wäre, als sie nun vor dem Anwesen der Nordins in Utby stand. Alter Baumbestand, gekieste Wege und ein Teich, der zur Hälfte mit Seerosen bedeckt war. Das Gebäude selbst war gar nicht besonders groß, eine harmonische Komposition aus vanilleweiß gestrichenem Holz und grauem Granit, umgeben von Rosenrabatten, in denen es noch blühte. Selma, die in Plattenbauten groß geworden war, fragte sich, wie dieser Anblick auf eine junge Frau wirkte, die dazu verdammt war, im Schatten dieser Familie zu leben. Weil sie zwar den richtigen Vater hatte, aber die falsche Mutter.
Ein Eisenzaun mit scharfen Spitzen trennte das Grundstück von der Außenwelt. Selma drückte auf die Klingel an der Pforte neben der Einfahrt. Es meldete sich eine Frauenstimme mit: »Ja, bitte?« Selma sagte ihren Namen und hielt ihren Dienstausweis in die Kamera über ihrem Kopf. Ein Summton ertönte, und die Pforte sprang auf.
Barbie ist ganz schön alt geworden, durchfuhr es Selma beim Anblick der giftblonden Frau, die ihr die Tür öffnete. Sie trug Make-up, als stünde sie auf einer Opernbühne, und eine Bluse mit Millefleur-Muster in den Farben eines Trompetenstoßes. Darunter zeichneten sich die Brüste ab wie angeklebte Bälle.
»Ich bin Greta Nordin. Sie sind doch nicht etwa von der Presse?«
Selma zeigte ihr noch einmal den Dienstausweis.
»Worum geht es denn?«, wollte die Dame des Hauses wissen.
»Das würde ich gerne mit Ihrem Mann persönlich besprechen«, sagte Selma.
Sie wolle nachsehen, ob das möglich sei, antwortete sie spitzmäulig und erklomm in ihren rosafarbenen Ballerinas eine breite, geschwungene Treppe, wie man sie sonst nur in amerikanischen Filmen sah.
Innen wirkte das Haus größer als von außen. Ein heller Dielenboden, schlichte nussbaumbraune Möbel und Vorhänge aus sandbeigem Leinenstoff, die die großen Sprossenfenster umrahmten, verbreiteten die ruhevolle Atmosphäre eines Yogazentrums. Wer immer das eingerichtet hatte, hatte Geschmack bewiesen, dachte Selma. Wahrscheinlich ein Innenarchitekt.
Wenig später federte Greta Nordin die Treppe herab und verkündete mit Grandezza, dass der Hausherr sie oben empfangen werde. Selmas Turnschuhe versanken in einem flauschigen Läufer, als sie Gretas knochigem Gesäß in Designerjeans die Treppe hinauf folgte. Fesseln so dünn wie Fahrradspeichen.
Die Hausherrin wies auf die angelehnte Tür.
Selma klopfte. Das »Herein« ertönte wie ein Paukenschlag, und Selma betrat ein Herrenzimmer in Sepia, in dem die Vorhänge zugezogen waren und eine Bankerlampe einen monströsen Schreibtisch erhellte. Dahinter wurde nun der Umriss eines schlanken Mannes sichtbar, der sich bei ihrem Eintreten erhob und ihr die Hand entgegenstreckte. Dichtes weißes Haar und aristokratische Gesichtszüge über einem geschlossenen Hemdkragen, darüber trug er einen Pullunder in Schottenkaro, und es hätte Selma nicht gewundert, wenn unter dem Schreibtisch ein scharf gebügelter Schottenrock zum Vorschein gekommen wäre.
Sohn einer Lehrerin und eines Postbeamten
»Holger Nordin. Was kann ich für Sie tun, Frau?«
»Selma Valkonen, Kripo Göteborg. Ich arbeite für Kommissar Forsberg.«
Seinem Händedruck merkte man sein Alter nicht an. Er war außerdem ein Sitzriese, das
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