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Töwerland brennt

Töwerland brennt

Titel: Töwerland brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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der
Aufgaben, die Ingenieure ausüben. Andere sind zum Beispiel Überwachung,
Projektierung, Steuerung und so etwas.«
    »Und was ist dein Schwerpunkt?«
    Tommy sah sie erstaunt an. »Warum willst du das alles wissen?«
    »Es interessiert mich halt.«
    »Ich habe mich im Studium viel mit Projektierung befasst«, erläuterte
er.
    Heike dachte einen Moment nach. »Das heißt auch Zeichnen, nicht
wahr?«
    »Ja, klar.«
    »Und warum steht dann in deiner Wohnung kein Zeichenbrett?«
    Tommy lachte auf. »Auf was du alles kommst. Solche Arbeiten werden
heute am Rechner erledigt. Am Zeichenbrett sitzt eigentlich niemand mehr.«
    »Ach so.« Aber ganz zufriedengestellt war Heike noch nicht. »Ich
habe in deiner Wohnung auch keine Bücher über Maschinenbau gefunden. Warum
nicht?«
    Tommy dachte einen Moment nach, bevor er antwortete: »Du weißt doch,
dass ich nicht viel Geld habe. Fachbücher sind teuer. Deshalb arbeite ich
ausschließlich in der Unibibliothek. So kann ich Kosten sparen. Natürlich
musste ich wichtige Lehrbücher auch kaufen. Wir haben uns da mit mehreren
Kommilitonen zusammengetan. Jeder kauft zwei, drei dieser Bücher, natürlich
unterschiedliche, und wir leihen sie uns gegenseitig aus. Da ich ja für einige Monate auf Juist arbeite, habe ich sie
alle verliehen. Warum interessiert dich das so?« Er musterte sie aufmerksam.
    »Ach, nur so«, wiegelte sie ab, »es fiel mir einfach auf.«
    Tommy legte den Arm um ihre Schultern und küsste sie sanft auf die
Wange. »Meine kleine Detektivin. Sonst noch Fragen, Frau Holmes?«
    Heike musste lachen. »Vorläufig nicht.«
    »Da bin ich ja beruhigt.«
    Die zweimotorige Britten-Norman Islander landete pünktlich auf dem Juister Flugplatz. Heike und Tommy hatten im Zug
verabredet, sich auf dem Rollfeld zu trennen, um möglichen Spekulationen über
ihre Beziehung vorzubeugen. Tommy wollte zu Fuß in den Ort gehen, Heike mit dem
Inseltaxi fahren.
    Fünfundvierzig Minuten, nachdem der Inselflieger seine Motoren abgestellt
hatte, stand sie mit ihrem Rucksack im Foyer des Sanddornhotels ihrer Mutter gegenüber.
    »Wo warst du?«, zischte Maria Harms.
    »Ich habe mir zwei Tage freigenommen.«
    »Das haben wir bemerkt. Meinst du nicht, dass du mir eine Erklärung
schuldest?«
    »Nein.«
    Maria Harms griff ihre Tochter am Arm und zerrte sie in das Büro.
Dann schloss sie die Tür.
    »Da habe ich allerdings eine andere Auffassung. Du bist gesehen worden.«
    »Das kommt häufiger vor.«
    »Am Sonntagmorgen. Händchenhaltend auf dem Flugplatz. Mit einem fremden
Mann. Wer ist das?«
    »Ich bin jetzt fast dreißig. Du
bist zwar meine Mutter, aber mein Privatleben geht dich nun wirklich
nichts mehr an.«
    »Ist das derselbe Kerl, mit dem du dich am Donnerstag in der Spelunke und in der Nacht zum Freitag was-weiß-ich-wo
herumgetrieben hast?«
    Heike nahm sich zusammen. Nicht weinen, beschwor sie sich selbst.
Nicht diese Blöße geben. Lass dich nicht wieder klein machen. »Tommy ist kein
Kerl. Und ich habe mich nicht herumgetrieben.«
    »Ach, Tommy heißt der also. Ist er ein Urlauber? Juister ist er jedenfalls
nicht.«
    »Woher willst du das wissen?«
    Maria Harms ignorierte die Frage. »Na gut. Wie du meinst. Aber eines
sage ich dir: Wenn du dich nicht an die Spielregeln hältst, die in unserer Familie
gelten, darfst du dich nicht wundern, wenn sich die Familie gegen dich stellt.«
    »Familie?«, ereiferte sich Heike. »Du nennst das eine Familie? Du
und Gerrit seid doch ein Herz und eine
Seele. Ich bin nur das fünfte Rad am Wagen. Euer Fußabtreter bin ich!«, schleuderte
sie ihrer Mutter entgegen. »Mehr nicht.«
    Maria Harms ging zur Tür und nahm die Klinke in die Hand. Dann aber
drehte sie sich noch einmal um und sagte ganz ruhig: »Merk dir eines, mein
Kind. Wer gegen den Strom schwimmen will, muss einen verdammt langen Atem
haben.«
    Erschüttert blieb Heike zurück.

18
    27. März 1992
    Knut
    Knuts Erfahrungen, die er in den Heimen gesammelt hatte,
waren ihm auch im Gefängnis zugutegekommen. Schnell lernte er, sich der
offiziellen Hierarchie der Vollzugsbeamten und der inoffiziellen der Häftlinge
anzupassen und sie zu nutzen. Er duckte sich weg, wenn Konflikte drohten, machte
sich nützlich, wenn ihm das Vorteile verschaffte und versuchte ansonsten, so
unauffällig und vor allem unbeschadet wie möglich den Knastalltag zu
überstehen. Das glückte ihm so gut, dass er als Mustergefangener wegen guter Führung
zwei Tage nach seinem achtzehnten Geburtstag aus dem Knast

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