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Töwerland brennt

Töwerland brennt

Titel: Töwerland brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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noch nicht einmal eine Reisetasche bei
ihrer Flucht mit. Insofern waren Heikes Befürchtungen möglicherweise doch nicht
unbegründet.

24
    Herbst 1992
    Knut
    Die vergangenen Monate hatte Knut damit verbracht, sich
auszumalen, wie er sich an der Familie des unbekannten Hoteliers rächen würde.
Aber seine Überlegungen waren immer wieder ins Leere gelaufen.
    Das Risiko, als Täter entdeckt zu werden, erschien ihm bei all
seinen Plänen zu groß. Schließlich konnte
man von einer Insel nicht so einfach fliehen. Oder die Strafe, die er sich für
die Familie ausdachte, war zu gering, zu unbedeutend gegenüber dem, was sie
seiner Mutter und ihm angetan hatten. Außerdem hatte er keine Ahnung, wer genau
sein Vater war. Und wo er überhaupt gelebt hatte. So blieb es bei nächtlichen Planspielchen.
Und seine Unzufriedenheit, keine Lösung zu finden, wuchs.
    Ende September betrat Knut an seinem freien Freitagabend eine Kneipe
im Dortmunder Norden. Der BVB hatte gerade sein Heimspiel gegen die Münchner
Bayern mit 1:2 verloren. Entsprechend gedrückt war die Stimmung in der Pinte.
    Knut stellte sich an die Theke und bestellte ein Bier. Neben ihm standen
mehrere Männer, deren schwarz-gelbe Schals ihre Vereinszugehörigkeit eindeutig
belegten. Sie ereiferten sich über in ihren Augen fehlerhafte Schiedsrichterentscheidungen
und die mangelhafte Arbeitsauffassung einiger Profis in den Reihen des BVB.
    Schließlich sprach einer der
Fans Knut an: »Und? Wat sachste zum
Spiel?«, fragte er mit schwerer Zunge.
    »Ich habe es nicht gesehen«, wich Knut aus.
    »Wie, du hasset nich gesehn?
Wat bisse denn für einen?«
    Knut hielt sich an seinem Bierglas fest.
    »Wohnze hier in Dortmund?«
    Knut nickte.
    »Und dann guckste kein
Fußball?«
    Die anderen Männer schüttelten ebenfalls verständnislos den Kopf.
    »Wat bisse denn für’n Vogel?«
Und dann wandte er sich an seine Kumpel. »Der is’n Dortmunder Jung und hat kein
Bock auf Fußball.« Dann orderte sein
Gesprächspartner Nachschub. »Mach dem Vogel da ma’n Bier. Abba’n großet. Damit der nich so traurich auße
Wäsche glotzt. Reicht ja, wenn wir Trübsal schieben, wat? Wollt ihr auch noch einen?«
    Alle signalisierten Zustimmung. Der Wirt zapfte mehrere Bier und
stellte sie auf die Theke. Eines davon schob der Mann, den seine Kumpel Uli
nannten, Knut hinüber. »Für dich. Datte
auf ander Gedanken kommst.« Er griff zum
Glas. »Prost.«
    Knut, dem die Situation immer unangenehmer wurde, hob widerstrebend
den Halben. Konnten die Kerle ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Mussten sie ihn
so von der Seite anquatschen? Was hatte er getan, dass er sich das Gestammel
dieser betrunkenen Fußballfans anhören musste?
    »Sach ma, is dein Alter früher nie mit dir auf’m Platz
gegangen?«, erkundigte sich Uli mit viel Mitgefühl in der Stimme.
    Knut antwortete nicht.
    »Nu sach doch ma. Oder wollte
deine Mama dat nicht? Kann ja sein. Kannze ja nix für. Meine Mama hat auch immer
gemeckert, wenn ich dreckich vom
Bolzplatz kam. Abba mein Alter hat dann immer zu Mutter gesacht, sie soll dat Gekeife
lassen. Hat die dann auch gemacht. War dat
bei dir auch so?« Er legte eine Hand auf Knuts Schulter und beugte sich zu ihm
herüber.
    Knut kroch der Geruch von Rauch und Bier in die Nase.
    »Musse dich nicht für schämen,
für so wat. Dat kommt vor.« Er wandte sich wieder an seine Kumpel. »Dat kommt doch vor, oder?«
    Ein alkoholgeschwängertes »Jau«
war die Antwort.
    »Siehsse. So ist dat manchma. Erzähl doch ma. Wie war dat denn bei euch zu Hause?«
    Knut spürte, wie sich sein Magen zusammenzog und die Nackenhaare
aufrichteten. Der Kerl sollte den Mund halten. Sofort!
    »Wat war denn deine Mutter für eine? So wat wie meine?«
    »Lass meine Mutter aus dem Spiel«, zischte Knut.
    Uli nahm die Hand von Knuts Schulter. »Getz isser aufgewacht. Hat irgendein Problem mit seine Mama.« Er nahm einen großen Schluck aus
dem Glas. »Un wat is mit deine Mama los?«,
fragte er interessiert, die Körpersprache seines Gegenübers völlig missdeutend.
    »Das geht dich einen Scheißdreck an!«, schrie Knut. »Lass mich in
Ruhe!«
    »Hey. Getz abba ma langsam mit die jungen Pferde.« Uli schraubte
sich vom Barhocker und baute sich neben Knut auf. »Ich hab nur gefragt. Musse dich nich
gleich so aufregen. Wennze Probleme mit deine Mama …«
    Knut sah rot. Er griff zu seinem vollen Bierglas und knallte es Uli
auf den Kopf. Glas splitterte, Bier spritzte. Uli sank auf die Knie und sah mit
glasigen

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