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Töwerland brennt

Töwerland brennt

Titel: Töwerland brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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Watt. Um das Opfer einzugraben, muss also fast völlige Ebbe
herrschen. Die Wirkungszeit der K.-o.-Tropfen beträgt nur einige Stunden. Der
Täter hat also …« Altehuus stockte.
    »Was ist?«, erkundigte sich Buhlen. »Warum reden Sie nicht weiter?«
    »Weil mir gerade mein Denkfehler aufgefallen ist. Ich bin davon ausgegangen,
dass der Täter dem Opfer die K.-o.-Tropfen verabreicht, ihn dann ins Boot
gepackt und im Watt eingegraben hat.«
    »Und?«
    »Er kann doch dem Opfer, während es hilflos ist, jederzeit erneut
Tropfen einflößen.«
    »Stimmt. Und damit verlängert sich der Zeitraum der
Besinnungslosigkeit deutlich. Und natürlich auch der Radius, in dem wir nach
Vermissten suchen müssen.«
    »Eben. Die Frage ist nur: Hält das Opfer das aus? Oder stirbt es dem
Täter unter der Hand weg?«
    »Keine Ahnung.« Buhlen kratzte sich am Kopf. »Allerdings bringt mich
das auf eine weitere Frage: Warum hat der Mörder sein Opfer nicht schon vorher
getötet? Warum ist er das Risiko eingegangen, entdeckt zu werden? Oder gar,
dass sich das Opfer befreien kann oder von Zeugen ausgemacht und befreit wird?«
    »Der Entdeckungsgefahr kann er dadurch entgehen, indem er das
nächtliche Niedrigwasser nutzt.« Altehuus tippte etwas auf der Rechnertastatur.
»Hier haben wir es ja. Der Gezeitenkalender. Die Tage um den 18. Mai waren für
den Täter ideal: Ebbe ist gegen Mitternacht und Flut sehr früh am Morgen. Und
auch die Sonne geht erst nach dem Hochwasser auf. Eine mögliche Selbstbefreiung
können wir nach meiner Meinung ausschließen. Ein dicker Kabelbinder um die
Handgelenke des Opfers und dann die mit Paketband fixierten Oberarme. Nein,
damit brauchte der Mörder nicht zu rechnen.«
    »Überzeugt. Bleibt aber immer noch die Frage, warum er sein Opfer
nicht sofort umgebracht hat.«
    »Er wollte mit Sicherheit, dass es möglichst lange leidet.«
    »Einverstanden. Und warum vor Juist? Warum nicht vor Norderney oder
Greetsiel?«
    »Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Offensichtlich hat der
Täter eine Beziehung zu dieser Insel.«
    »Oder das Opfer.«
    »Oder beide«, ergänzte Altehuus und griff zur Schnupftabakdose. »Was
meinen Sie, warum das Opfer nackt war?«
    »Vielleicht, um es zu demütigen?«
    »Möglich.«
    Die Männer hingen ihren Gedanken nach.
    Natürlich war Altehuus den Hinweisen Rainer Eschs nachgegangen. Auf
Juist war kein Knut Tohmeier gemeldet. Sicher, es wäre möglich, dass Tohmeier
die Vorschriften einfach ignorierte und trotzdem auf der Insel wohnte. Ohne
Wissen seines Vermieters wäre ein solches Vorgehen jedoch nicht möglich. Oder
Tohmeier wollte nicht länger als zwei Monate auf Juist arbeiten. Für Kurzzeitbeschäftigte
gab es keine Meldepflicht. Auch das erschien Altehuus sehr unwahrscheinlich, da
Saisonkräfte in der Regel länger blieben, auf jeden Fall aber die gesamte
Hauptreisezeit im Sommer. Jetzt im Mai war, von Pfingsten abgesehen, noch
Vorsaison. Warum sollte also ein Arbeitgeber Tohmeier lediglich für einen
Zeitraum einstellen, der kurz vor dem Hauptansturm der Gäste lag?
    Die Erkundigungen, die er bisher eingeholt hatte, waren ebenfalls
ergebnislos geblieben. Keiner, den er befragt hatte, kannte den Mann auf dem
Foto. Allerdings gab es auf Juist so viele Kneipen, Restaurants, Hotels und
Pensionen – es hatte ihm einfach die Zeit gefehlt, alle aufzusuchen.
    Die Annahmen dieses Anwalts waren wahrscheinlich unbegründet. Der
Brandstifter war verhaftet und damit vermutlich auch der Verfasser der
Erpresserbriefe – wenn es diese denn tatsächlich gab.
    Trotzdem blieben Zweifel. Der Brandstifter war Pyromane, kein
Erpresser. Warum also sollte er die Briefe geschrieben haben? Und warum nur an
Harms?
    Nein, er musste die Familie Harms baldmöglichst dazu befragen,
jetzt, wo beide Geschwister wieder aufgetaucht waren. Aber einige Tage wollte
er ihnen Zeit geben, um den Tod ihrer Mutter zu verarbeiten. Anfang der Woche
war es immer noch früh genug für diese Unterredung. Erst danach wollte er
diesen Knut Tohmeier endgültig zu den Akten legen.

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    Heike Harms wusste, dass sie seit einigen Monaten von der
Hand in den Mund lebten. Lieferantenrechnungen wurden nicht direkt bezahlt,
sondern bis zur zweiten oder dritten Mahnung liegen gelassen. Nur Juister
Firmen erhielten ihr Geld sofort. Der Ruf der Familie durfte nicht
beeinträchtigt werden. Einige Unternehmen waren dazu übergegangen, nur noch auf
Vorkasse zu liefern, andere hatten die Geschäftsbeziehungen gekündigt. Da

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