Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
Vom Netzwerk:
verraten würde.» Sie bedeckte ihren Mund mit einer Hand und bebte vor leisem Lachen. «Aber da ich nun mal zu alt bin, habe ich ihr gesagt, dass du jazzbegeistert bist und ein großer Fan von ihr und dass du heute Abend extra hergekommen bist, um sie zu hören.»
    «Das war nett von Ihnen», sagte ich und merkte, dass ich die Kontrolle über die Situation verlor und nicht wusste, wie ich sie wiedergewinnen sollte.
    Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und lächelte. «Also? Findest du nicht, du solltest dich ihr vorstellen? Sie hat gesagt, sie möchte dich gern kennen lernen.»
    «Mama, Sie flunkern. Sie hat nichts dergleichen gesagt.»
    «Ach nein? Sie erwartet dich – sieh doch.» Sie drehte sich um und winkte Midori zu, die zu uns herübersah und zurückwinkte.
    «Mama, bitte nicht», sagte ich und wusste doch, dass es bereits zu spät war.
    Unvermittelt beugte sie sich vor, und das Lachen verschwand wie die Sonne hinter einer Wolke. «Jetzt bring mich nicht in Verlegenheit. Geh rüber und sag guten Tag.»
    Egal. Ich musste ohnehin mal zur Toilette.
    Ich stand auf und ging zu Midoris Tisch. Ich spürte, dass sie mein Kommen registrierte, aber sie ließ sich nichts anmerken, bis ich direkt vor ihr stand. Dann blickte sie auf, und ich war überwältigt von ihren Augen. Unergründlich selbst jetzt, als sie mich direkt ansah, aber nicht distanziert und auch nicht kalt. Stattdessen schienen sie eine wohl dosierte Wärme auszustrahlen, von der man berührt wurde, ohne doch selbst etwas berühren zu können.
    Mir war sofort klar, dass mein Verdacht richtig gewesen war, dass Mama mich reingelegt hatte. Midori hatte nicht die geringste Ahnung, wer ich war.
    «Danke für Ihre Musik», sagte ich zu ihr und überlegte fieberhaft, was ich sonst noch sagen könnte. «Sie hat mich vor etwas gerettet.»
    Der Bassist, unheimlich cool mit seinen schwarzen Klamotten, den langen Koteletten und der rechteckigen europäischen Brille, schnaubte hörbar, und ich fragte mich, ob zwischen den beiden irgendetwas war. Midori ließ sich zu einem schwachen Lächeln herab, das verriet, dass sie so etwas schon öfter gehört hatte, und sagte schlicht: « Domo arigato.» Die Höflichkeit ihres Dankes war praktisch eine Form der Verabschiedung.
    «Nein», beteuerte ich, «ich meine es ernst. Ihre Musik ist ehrlich, das beste Mittel gegen Lügen.»
    Einen Moment lang fragte ich mich, was zum Teufel ich da von mir gab.
    Der Bassist schüttelte den Kopf, als wäre er angewidert. «Wir spielen nicht, um Leute zu retten. Wir spielen, weil es uns Spaß macht zu spielen.»
    Midori sah kurz zu ihm hinüber. Ihr Blick war distanziert und ein klein wenig enttäuscht, und ich wusste, dass diese beiden die Schritte eines altvertrauten Tanzes absolvierten, Schritte, die bislang noch nie so weit geführt hatten, wie der Bassist es sich wünschte.
    Aber egal, er konnte mich mal. «Aber Jazz ist doch wie Sex», sagte ich zu ihm. «Nur zu zweit macht er richtig Spaß.»
    Ich sah, wie seine Augen sich weiteten, während Midori die Lippen spitzte, vielleicht, um ein Lächeln zu unterdrücken.
    «Wir retten Sie gern weiter, wenn wir das tatsächlich getan haben», sagte sie in einem Tonfall, der so ungerührt war wie ein EKG mit Nulllinie. «Danke.»
    Ich hielt ihrem unverwandten Blick einen Moment lang stand, vergeblich bemüht, ihn zu ergründen, dann entschuldigte ich mich. Ich verschwand auf die Herrentoilette, die im Alfie ungefähr so groß ist wie eine Telefonzelle, und sinnierte darüber, dass ich einige der blutigsten Kämpfe in Südostasien überlebt hatte, einige der schlimmsten kriegerischen Auseinandersetzungen unter Söldnern, aber trotzdem nicht in der Lage war, Mamas hinterhältigen Überfällen zu entgehen.
    Als ich von der Toilette kam, erwiderte ich Mamas zufriedenes Grinsen und kehrte dann an meinen Platz zurück. Augenblicke später hörte ich die Tür des Clubs hinter mir aufgehen, und ich blickte beiläufig nach hinten, um zu sehen, wer da hereinkam. Mein Kopf drehte sich automatisch in Sekundenschnelle wieder nach vorn, jahrelangem Training gehorchend – und dasselbe Training verhinderte auch, dass sich meine zwangsläufige Überraschung in meinem Gesicht widerspiegelte.
    Es war der Fremde aus dem Zug. Der Mann, den ich gesehen hatte, als er Kawamura durchsuchte.

4
    ICH TRAGE einige ungewöhnliche Dinge am Schlüsselbund, unter anderem ein paar simple Dietriche, die ein Ahnungsloser für Zahnstocher halten würde, und einen abgesägten

Weitere Kostenlose Bücher