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Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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den Anschauungen her, meine ich», fügte sie rasch hinzu, und ich wusste, dass sie fürchtete, mich mit zu großer Direktheit zu beleidigen.
    Ich sah sie an und musste kurz an ihren Vater denken. Ich dachte an andere Menschen, für die ich gearbeitet hatte, und wie anders mein Leben hätte sein können, wenn ich ihnen nie begegnet wäre. «Ich weiß nicht genau», sagte ich schließlich und wandte den Blick ab. «Wie Sie ja im Alfie bemerkt haben, bin ich kein sehr verständnisvoller Mensch.»
    Sie zögerte. «Darf ich Sie etwas fragen?»
    «Klar», erwiderte ich, ohne zu wissen, was mich erwartete.
    «Sie haben im Alfie gesagt, wir hätten Sie ‹gerettet›. Was haben Sie damit gemeint?»
    «Ich wollte nur mit Ihnen ins Gespräch kommen», sagte ich. Es klang schnodderig, und ich sah ihren Augen sofort an, dass es die falsche Antwort war.
    Du musst ihr ein bisschen was bieten, dachte ich wieder, unsicher, ob ich damit einen Kompromiss einging oder mir nur etwas einredete. Ich seufzte. «Ich meinte damit Dinge, die ich getan habe, Dinge, von denen ich wusste oder zu wissen glaubte, dass sie richtig waren», sagte ich, wieder auf Englisch, was es mir leichter machte, über das Thema zu sprechen. «Aber später stellte sich dann heraus, dass dem nicht so war. Solche Dinge verfolgen mich manchmal.»
    «Verfolgen Sie?», fragte sie verständnislos.
    «Ja. Borei no yo ni.» Wie ein Geist.
    «Und meine Musik hat die Geister vertrieben?»
    Ich nickte und lächelte, aber das Lächeln wurde traurig. «Ja. Ich sollte sie mir öfter anhören.»
    «Weil die Geister zurückkommen?»
    Meine Güte, John, lass es gut sein. « Es ist eher so, dass sie ständig da sind. Sugita koto wa, sugita koto da.» Die Vergangenheit ist die Vergangenheit.
    «Bereuen Sie gewisse Dinge?»
    «Tut das nicht jeder?»
    «Vermutlich. Aber bereuen Sie die gleichen Dinge wie die meisten Menschen?»
    «Woher soll ich das wissen? Normalerweise stelle ich keine Vergleiche an.»
    «Aber das haben Sie doch eben getan.»
    Ich musste lachen. «Sie sind ein harter Brocken», war alles, was ich sagen konnte.
    Sie schüttelte den Kopf. «Das will ich nicht sein.»
    «Ich denke, doch. Aber es steht Ihnen gut.»
    «Was ist mit der Redensart ‹Ich bereue nur die Dinge, die ich nicht getan habe›?»
    Ich schüttelte den Kopf. «Das ist eine Redensart für jemand anders. Jemand, der die meiste Zeit zu Hause war.»
    Ich wusste, dass ich heute nichts mehr über ihren Vater oder den Fremden erfahren würde, es sei denn, ich stellte Fragen, die meine wahre Absicht verrieten. Es war an der Zeit, über unverfänglichere Dinge zu sprechen.
    «Haben Sie heute noch mehr Einkäufe zu erledigen?», fragte ich.
    «Eigentlich schon, aber ich bin in knapp einer Stunde in Jinbocho mit jemandem verabredet.»
    «Ihr Freund?», fragte ich aus professioneller Neugier.
    Sie lächelte. «Mein Manager.»
    Ich bezahlte die Rechnung, und wir gingen zurück zur Aoyama-dori. Es waren jetzt weniger Menschen unterwegs, und die Luft war kalt und feucht. Seit ich Kawamura vor zweieinhalb Wochen ausgeschaltet hatte, waren die Temperaturen gefallen. Ich blickte hoch und sah eine dichte Wolkendecke.
    Ich hatte mich erheblich besser amüsiert, als ich erwartet hatte, eigentlich besser, als ich gewollt hatte. Aber die Kälte schnitt durch meine freundliche Stimmung, weckte Erinnerungen und Zweifel neu. Ich schaute in Midoris Gesicht und dachte, was habe ich ihr angetan? Was mache ich hier eigentlich?
    «Was ist?», fragte sie, als sie meinen Blick sah.
    «Nichts. Bloß müde.»
    Sie blickte nach rechts, dann wieder mich an. «Ich hatte das Gefühl, als würden Sie jemand anderen anblicken.»
    Ich schüttelte den Kopf. «Nein, wir beide sind allein.»
    Wir gingen los, und unsere Schritte hallten sanft hinter uns her. Dann fragte sie: «Kommen Sie noch einmal, wenn ich wieder spiele?»
    «Sehr gern.» Blöder Spruch. Aber ich musste mein Wort ja nicht halten.
    «Freitag und Samstag bin ich im Blue Note.»
    «Ich weiß», sagte ich, was wieder blöd war, und sie lächelte.
    Sie winkte ein Taxi heran. Ich hielt die Tür für sie auf, als sie einstieg, und ein nagender Teil von mir fragte sich, wie es wohl wäre, einfach mit ihr einzusteigen. Bevor das Taxi losfuhr, ließ sie das Fenster herunter und sagte: «Kommen Sie allein.»

8
    AM NÄCHSTEN FREITAG erhielt ich auf meinem Pager wieder eine Nachricht von Harry, dass ich im Bulletin Board nachsehen sollte.
    Er hatte herausgefunden, dass der Fremde im

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