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Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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dabei.
    «Subarashikatta», sagte er. «Ausgezeichnet. Ich würde gern eine Revanche vorschlagen, aber mein Arm wird das heute nicht mehr zulassen.»
    «Sie hätten früher abklopfen sollen», sagte ich. «Es bringt nichts, gegen einen Armhebel anzukämpfen. Es ist besser, man überlebt, um an einem anderen Tag weiterzukämpfen.»
    Er beugte zustimmend den Kopf. «Mein dummer Stolz, nehme ich an.»
    «Ich klopfe auch nicht gern ab. Aber Sie haben die ersten vier Runden gewonnen. Sie waren insgesamt besser als ich.» Er sprach noch immer Englisch, ich erwiderte auf Japanisch.
    Ich kniete mich ihm in Seiza -Haltung gegenüber, und wir verbeugten uns. Als wir aufstanden, sagte er: «Danke für die Lehrstunde. Ich habe noch nie erlebt, dass jemandem diese Juji-gatame- Variante in den Randori gelungen ist. Beim nächsten Mal werde ich mich hüten, die Risiken zu unterschätzen, die Sie auf sich nehmen, um eine Aufgabe zu erzwingen.»
    Das war mir klar. «Wo trainieren Sie?», fragte ich ihn. «Ich habe Sie vorher noch nie hier gesehen.»
    «Ich trainiere in einem Privatclub», sagte er. «Vielleicht hätten Sie Lust, mal bei uns mitzumachen. Wir sind immer auf der Suche nach Judoka des Shibumi.» Shibumi ist ein ästhetisches Konzept Japans. Es ist eine Art subtile Macht, eine unangestrengte Autorität. In einem engeren, intellektuellen Sinne könnte man es Weisheit nennen.
    «Ich glaube nicht, dass ich der Richtige für Sie wäre. Wo ist Ihr Club?»
    «In Tokio», sagte er. «Würde mich wundern, wenn Sie schon von ihm gehört haben. Mein ... Club steht Ausländern normalerweise nicht offen.» Er verbesserte sich rasch. «Aber Sie sind ja Japaner, natürlich.»
    Vielleicht hätte ich es dabei bewenden lassen sollen. «Ja. Aber Sie haben mich auf Englisch angesprochen.»
    Er stockte kurz. «Ihre Gesichtszüge sind überwiegend japanisch, wenn ich so sagen darf. Ich meinte, eine Spur Westliches darin entdeckt zu haben, und wollte mich vergewissern. Für solche Dinge habe ich normalerweise einen sechsten Sinn. Wenn ich mich geirrt hätte, hätten Sie mich einfach nicht verstanden, und die Sache wäre damit erledigt gewesen.»
    Feinderkennung durch Unterbeschussnahme, dachte ich. Man schießt einfach in die Bäume, und wenn das Feuer erwidert wird, weiß man, dass der Feind da ist. «Sie wollten sich also einfach nur vergewissern?», fragte ich, meinen Arger bewusst im Zaum haltend.
    Einen Moment lang hatte ich den Eindruck, als wäre ihm seltsam unbehaglich zumute. Dann sagte er: «Darf ich ganz offen mit Ihnen sprechen?»
    «Haben Sie das denn nicht?»
    Er schmunzelte. «Sie sind Japaner, aber auch Amerikaner, ja?»
    Meine Miene blieb vorsichtshalber neutral.
    «Wie dem auch sei, ich denke, Sie können mich verstehen. Amerikaner schätzen Offenheit über alles. Das ist eine ihrer unangenehmen Eigenschaften, umso mehr, als sie sich selbst unentwegt dafür auf die Schulter klopfen, so offen zu sein. Und dieser unangenehme Zug befällt inzwischen sogar mich! Sehen Sie, was für eine Gefahr Amerika für Nippon darstellt?»
    Ich sah ihn an, fragte mich, ob er ein spinnerter Reaktionär war. Auf die trifft man hin und wieder – sie heucheln, Amerika zu verabscheuen, aber insgeheim sind sie fasziniert von dem Land. «Amerikaner ... verursachen also zu viele offene Gespräche?», fragte ich.
    «Ich weiß, dass Sie das ironisch meinen, aber in gewisser Weise, ja. Amerikaner sind Missionare, genau wie die Christen, die vor fünfhundert Jahren nach Kyushu kamen, um uns zu bekehren. Nur mit dem Unterschied, dass die Amerikaner heute nicht das Christentum propagieren, sondern den American Way, der nichts anderes ist als die offizielle säkulare Religion Amerikas. Offenheit ist da nur ein Aspekt, und zwar ein verhältnismäßig banaler.»
    Das konnte ganz unterhaltsam werden. «Haben Sie das Gefühl, man will Sie bekehren?»
    «Natürlich. Der Glaube der Amerikaner beruht auf zwei Grundpfeilern: Erstens, entgegen aller Alltagserfahrung und jedem gesunden Menschenverstand, dass ‹alle Menschen gleich sind›, und zweitens, dass uneingeschränktes Vertrauen in die Marktwirtschaft für eine Gesellschaft die beste Methode ist, ihre Angelegenheiten zu regeln. Amerika hat solche transzendentalen Vorstellungen schon immer benötigt, um seine Bewohner zu einen, die ja aus unterschiedlichen Kulturen auf der ganzen Welt gekommen sind. Und dann fühlen sich die Amerikaner genötigt, die Allgemeingültigkeit dieser Ideen und damit deren

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