Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
Ich bin Ken.»
«Und ich bin Midori», warf Midori ein. «Und jetzt lasst uns endlich gehen, bevor ich verhungert bin!»
Während des zehnminütigen Spaziergangs zum Za Ribingu Baa, wie die Living Bar bei den Einheimischen hieß, plauderten wir angeregt über Jazz und wie ihn jeder für sich entdeckt hatte. Ich war zwar zehn Jahre älter als der Älteste von ihnen, aber von unserer Grundhaltung her waren wir alle Puristen der Schule Charlie Parker/Bill Evans/Miles Davis, und das Gespräch verlief angenehm zwanglos.
Immer wenn wir um eine Ecke bogen, konnte ich einen Blick nach hinten werfen. Und dabei erspähte ich mehrmals Mr. Gleichgültig, der uns auf den Fersen war. Ich rechnete nicht damit, dass er aktiv wurde, während Midori mit anderen zusammen war, falls er das überhaupt vorhatte.
Es sei denn, natürlich, sie standen unter Druck, denn dann würden sie Risiken eingehen, vielleicht sogar fahrlässig werden. Ich lauschte während des ganzen Weges angestrengt auf die Geräusche hinter uns.
Die Living Bar machte auf ihre Existenz im Keller des Scene-Akira-Hauses durch ein diskretes Schild über der Treppe aufmerksam. Wir gingen hinunter und durch den Eingang, wo uns ein junger Japaner mit einem modischen Bürstenhaarschnitt empfing. Er trug einen maßgeschneiderten marineblauen Anzug, von dessen vier Knöpfen drei geschlossen waren. Midori, in jeder Hinsicht der Mittelpunkt unserer Gruppe, sagte ihm, dass wir einen Tisch für vier Personen brauchten. Er erwiderte in sehr höflichem Japanisch: « Kashikomarimashita», und murmelte etwas in ein kleines Mikrofon direkt neben der Kasse. Als er uns hineinführte, war schon ein Tisch vorbereitet worden, und eine Kellnerin wartete, um uns dorthin zu geleiten.
Für einen Samstagabend war es nicht besonders voll. Einige Grüppchen von elegant aussehenden Frauen saßen auf Stühlen mit hoher Rückenlehne an schwarz lackierten Tischen. Sie waren gekonnt geschminkt und trugen Chanel-Kleider, die aussahen, als wären sie für sie gemacht. Das gedämpfte Licht der dezenten Deckenbeleuchtung hob ihre Wangenknochen deutlich hervor, schimmerte auf ihrem Haar. Midori stellte sie allesamt in den Schatten.
Ich wollte den Stuhl mit Blick auf den Eingang, aber Tom war schneller. Mir blieb nur der Platz, von dem aus ich die Bar sehen konnte.
Als wir Getränke bestellten und so viele kleine Appetizer, dass sie eine richtige Mahlzeit ergaben, sah ich, wie der Mann, der uns hereingeführt hatte, Mr. Gleichgültig zur Bar führte. Mr. Gleichgültig setzte sich mit dem Rücken zu uns, aber hinter der Bar war ein Spiegel, und ich wusste, dass er den Raum gut im Auge behalten konnte.
Während wir auf unsere Bestellung warteten, setzten wir unser unverfängliches, angenehmes Gespräch über Jazz fort. Etliche Male dachte ich darüber nach, ob es vorteilhaft wäre, Mr. Gleichgültig zu eliminieren. Er gehörte zu einem zahlenmäßig überlegenen Gegner. Falls sich die Möglichkeit bot, die Überzahl um einen zu verringern, würde ich sie ergreifen. Wenn ich es richtig anstellte, würden seine Auftraggeber niemals von meiner Beteiligung erfahren, und ihn auszuschalten könnte mir zusätzliche Zeit verschaffen, Midori aus der Sache rauszuholen.
Irgendwann, als ein Großteil der Häppchen verzehrt war und wir ebenso wie Mr. Gleichgültig unsere zweite Runde tranken, fragte mich einer von der Band, womit ich mein Geld verdiene.
«Ich bin als Berater tätig», erklärte ich ihnen. «Ich berate ausländische Firmen, wie sie ihre Produkte und Dienstleistungen auf den japanischen Markt bringen können.»
«Das ist gut», sagte Tom. «Es ist für Ausländer viel zu schwierig, in Japan Geschäfte zu machen. Selbst heute noch ist die Liberalisierung rein kosmetisch. In vielerlei Hinsicht ist es immer noch dasselbe Japan wie während des Bakufu der Tokugawa, abgeschottet gegen die Außenwelt.»
«Ja, aber das ist schließlich gut für Johns Geschäft», warf Ken ein. «Stimmt doch, John, oder? Wenn Japan nämlich nicht so viele dumme Vorschriften hätte, wenn die Ministerien, die die Nahrungsmittel- und Produktimporte überprüfen, nicht so korrupt wären, dann müsstest du dir einen anderen Job suchen, ne?»
«Hör schon auf, Ken», sagte Midori. «Wir wissen alle, wie zynisch du bist. Das musst du nicht mehr beweisen.»
Ich fragte mich, ob Ken vielleicht einen über den Durst getrunken hatte.
«Du warst auch mal zynisch», sagte er unbeirrt. Er wandte sich mir zu. «Als Midori von der
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