Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
Spinnennetz innerhalb des rechten Winkels erstrecken, den die Omotesando-dori und die Meiji-dori bilden. Der Weg, den wir einschlugen, bot mir mehrmals Gelegenheit, uns nach hinten abzusichern, und ich sah, dass uns niemand folgte. Mr. Gleichgültig war allein gewesen.
Wir fuhren mit dem Aufzug in den zweiten Stock, traten dann durch eine Tür, die von üppig wuchernden Gardenien und anderen Blumen umrankt wurde, denen Satoh-sans Frau hingebungsvolle Pflege angedeihen ließ. Eine Biegung nach rechts, eine Stufe hinauf, und da war Satoh-san, Herr über die massive Kirschbaumholzbar im dämmrigen Licht, wie immer in Schale mit Weste und Fliege.
«Ah, Fujiwara-san», sagte er in seinem leisen Bariton, lächelte breit und verneigte sich. « Irrashaimase.» Willkommen.
«Satoh-san, schön, dich zu sehen», sagte ich auf Japanisch. Ich blickte mich um und stellte fest, dass der kleine Raum fast voll war. «Hast du irgendwo noch ein Plätzchen für uns?»
«Ei, mochiron», erwiderte er. Ja, natürlich. Er entschuldigte sich in förmlichem Japanisch und bat die sechs Gäste an der Bar, nach rechts zu rücken, so dass am hinteren Ende der Theke genug Platz für Midori und mich frei wurde.
Wir dankten Satoh-san, entschuldigten uns bei den anderen Gästen und begaben uns zu unseren Plätzen. Midoris Kopf wanderte unablässig hin und her, während sie sich umsah: Flasche um Flasche, lauter verschiedene Whisky-Sorten, viele ganz unbekannt und alt, nicht nur hinter der Bar, sondern auch auf den Regalen und Möbeln überall im Raum, Kuriositäten aus Amerika wie ein altes Schwinn-Fahrrad, das hinten an der Wand hing, ein antiquiertes, schwarzes Telefon mit Wählscheibe, das bestimmt an die zehn Pfund wog, ein gerahmtes Foto von Präsident Kennedy. Abgesehen davon, dass Satoh-san nur Whisky ausschenkte, spielte er ausschließlich Jazz, und die Klänge des Sängers/Lyrikers Kurt Elling drangen warm und wehmütig aus der Röhren-Stereoanlage von Marantz hinten in der Bar, untermalt von leisem Stimmengemurmel und gedämpftem Lachen.
«Es ... ist herrlich hier!», flüsterte Midori auf Englisch, als wir uns setzten.
«Ja, nicht? Es ist toll», sagte ich, froh, dass es ihr gefiel. «Satoh-san ist ein ehemaliger Sarariman, der aus der Tretmühle ausgestiegen ist. Er liebt Whisky und Jazz und hat jeden Yen gespart, bis er vor zehn Jahren den Laden hier aufmachen konnte. Ich finde, es ist die beste Bar in ganz Japan.»
Satoh-san kam zu uns herüber, und ich stellte ihm Midori vor. «Ach ja, natürlich!», rief er auf Japanisch. Er griff unter den Tresen und kramte herum, bis er gefunden hatte, was er suchte: Midoris CD. Midori musste ihn anflehen, sie nicht aufzulegen.
«Was empfiehlst du heute Abend?», fragte ich ihn. Satoh-san machte viermal im Jahr eine Pilgerfahrt nach Schottland, und ich habe bei ihm schon Malt Whiskys gekostet, die es fast nirgendwo sonst in Japan gibt.
«Wie viele Runden?», fragte er. Falls wir «mehrere» sagten, würde er eine Verkostung mit uns machen, mit etwas Leichtem aus den Lowlands anfangen und sich langsam zur jodhaltigen Würze der Malts aus Islay vorarbeiten.
«Nur eine, würde ich sagen», erwiderte ich. Ich warf Midori einen Blick zu, und sie nickte.
«Weich? Stark?»
Ich sah wieder Midori an, und sie sagte: «Stark.»
Satoh-san lächelte. «Stark» war ganz offensichtlich die Antwort, auf die er gehofft hatte, und ich wusste, dass er etwas Besonderes im Sinn hatte. Er drehte sich um, griff nach einer Klarglasflasche, die vor dem Spiegel hinter der Bar stand, und hielt sie uns hin. «Das ist ein vierzig Jahre alter Ardbeg», erklärte er. «Von der Südküste der Isle of Islay. Sehr selten. Ich bewahre ihn in einer schlichten Flasche ohne Etikett auf, weil jeder, der wüsste, was drin ist, versucht wäre, sie zu stehlen.»
Er nahm zwei makellose Whiskygläser und stellte sie vor uns hin. «Pur?», fragte er, da er Midoris Vorlieben nicht kannte.
«Hai», antwortete sie, worauf Satoh-san erleichtert nickte. Behutsam goss er die bronzefarbene Flüssigkeit in die Gläser und verkorkte die Flasche wieder.
«Das Besondere an diesem Malt ist die Ausgewogenheit der Aromen – Aromen, die normalerweise miteinander konkurrieren und sich gegenseitig überlagern würden», erläuterte er mit leiser und fast feierlicher Stimme. «Man schmeckt Torf, Rauch, Parfüm, Sherry und den Salzgeruch des Meeres. Dieser Malt hat vierzig Jahre gebraucht, um das volle Potenzial seines Charakters zu entwickeln,
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