Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
Hisashiburi desu ne.» Lange nicht gesehen.
Ich erwiderte seinen Blick. «Hallo, Yamaoto.»
Er stand auf und kam mit den kraftvollen, eleganten Bewegungen, die mir schon im Kodokan aufgefallen waren, um den Schreibtisch herum. «Danke, dass Sie heute gekommen sind», sagte er. «Ich habe Sie erwartet.»
Das war mir inzwischen klar. «Tut mir Leid, dass ich nicht erst angerufen habe», erwiderte ich.
«Nein, nein, macht gar nichts. Das habe ich auch nicht erwartet.
Aber ich habe mir gedacht, dass Sie irgendwie die Initiative ergreifen würden – schließlich liegt Ihnen auch als Judoka die Offensive mehr, und die Defensive benutzen Sie lediglich als Täuschungsmanöver.»
Er nickte seinen Männern zu und wies sie auf Japanisch an, draußen zu warten. Ich sah ihnen nach, wie sie leise nacheinander nach draußen gingen, und Plattnase beäugte mich, als er die Tür hinter ihnen schloss.
«Bin ich dem Hässlichen irgendwie zu nahe getreten?», fragte ich und rieb mir die Rippen. «Ich habe das Gefühl, er kann mich nicht leiden.»
«War er grob zu Ihnen? Ich habe ihm gesagt, er soll sich zusammenreißen, aber manchmal fällt es ihm schwer, sein Temperament zu zügeln. Ishikawa, der Mann, den Sie in der Nähe Ihrer Wohnung getötet haben, war ein Freund von ihm.»
«Tut mir Leid, das zu hören.»
Er schüttelte den Kopf, als wäre das alles ein Missverständnis. « Dozo, suwatte kudasai», sagte er. «Bitte setzen Sie sich. Möchten Sie etwas trinken?»
«Nein, danke. Ich habe keinen Durst. Und ich stehe lieber.»
Er nickte. «Ich weiß, was Sie denken, Rain-san. Vergessen Sie nicht, ich habe gesehen, wie schnell Sie sind. Deshalb stehen draußen drei bewaffnete Männer vor der Tür – falls es Ihnen gelingt, an mir vorbeizukommen.» Er lächelte ein überaus zuversichtliches Lächeln, und in Erinnerung an unsere Begegnung im Kodokan wusste ich, dass seine Zuversicht berechtigt war. «Es wäre ein interessanter Wettkampf, aber dazu ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Bitte, machen Sie es sich doch bequem, dann können wir darüber nachdenken, wie wir unser gemeinsames Problem am besten lösen.»
«Gemeinsames Problem?»
«Ja, es ist unser gemeinsames Problem. Sie haben etwas, das ich haben möchte, oder wissen, wo es ist. Sobald ich es habe, stellen Sie keine Gefährdung mehr dar, und wir können ‹leben und leben lassen›. Aber wenn ich es nicht bekomme, wird die Situation schwieriger.»
Ich schwieg, wartete, ob er noch etwas sagte. Nach einem Augenblick fuhr er fort: «Ich würde wirklich gern mit Ihnen sprechen. Dozo kakete kudasai.» Bitte setzen Sie sich.
Ich neigte den Kopf und ging zu einem der Sessel gegenüber der Couch. Auf dem Weg dahin schob ich die Hände in die Taschen, tat so, als gäbe ich mich geschlagen. Ich schaltete den Mikrosender ein. Wie immer das Ganze hier auch ausging, Harry würde zumindest alles mitbekommen. Ich setzte mich und wartete.
«Danke», sagte Yamaoto und nahm auf der Couch Platz. «Jetzt sagen Sie mal, wie haben Sie mich gefunden?»
Ich zuckte die Achseln. «Ihr Mitarbeiter Ishikawa ist in meine Wohnung eingebrochen und wollte mich töten. Ich habe sein Handy an mich genommen, in dem Ihre Nummer gespeichert war. Dann brauchte ich bloß noch die Initiative zu übernehmen, wie Sie es ausgedrückt haben – ein guter Angriff ist die beste Verteidigung.»
«Ishikawa war nicht in Ihrer Wohnung, um Sie zu töten. Er sollte Ihnen ein paar Fragen stellen.»
«Dann hatte Ishikawa aber eine merkwürdige Vorstellung von ‹Fragen stellen›», sagte ich, «und keine guten Umgangsformen.»
«Wie auch immer. Wir sind nicht hinter Ihnen her – nur hinter der CD.»
«CD?»
«Bitte beleidigen Sie nicht meine Intelligenz. Sie schützen Kawamura Midori.»
Ich war verblüfft. Aber dann begriff ich – die Männer, die Midori in ihrer Wohnung aufgelauert hatten. Das mussten Yamaotos Leute gewesen sein. Sie hatten sie ins Visier genommen, weil sie dachten, wenn sie die Sachen ihres Vaters hatte, dann musste sie auch die CD haben, und dann war ich auf der Bildfläche erschienen. Erst als ich sie überwältigt hatte und Midori untergetaucht war, nahmen sie mich aufs Korn.
«Was hat sie mit der Sache zu tun?»
«Ich weiß, dass ihr Vater die CD hatte, als er starb. Daher liegt der Gedanke nahe, dass sie sie jetzt hat. Und sie hält sich versteckt.»
«Natürlich hält sie sich versteckt. Man hat ihr schließlich genau so einen Empfang zu Hause bereitet, wie man ihn mir
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