Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
bereiten wollte. Sie weiß, dass sie in Gefahr ist, versteht aber nicht warum.»
«Jemand in ihrer Situation würde normalerweise zur Polizei gehen. Das hat sie nicht getan.»
«Ich würde das auch nicht tun. Ich traue der Polizei selbst nicht über den Weg.»
«Wo ist sie?»
«Das weiß ich nicht. Nach dem Überfall in ihrer Wohnung ist sie abgehauen. Sie hat gedacht, ich wäre einer von Ihren Leuten.»
«Wirklich? Bislang ist sie nicht wieder aufgetaucht.»
«Vielleicht ist sie bei Freunden – irgendwo auf dem Land oder so. Sie hat einen ganz schön verängstigten Eindruck gemacht.»
«Aha», sagte er und legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander. «Sie müssen verstehen, Rain-san, auf der CD sind Informationen, die für Japan schädlich und für seine Feinde nützlich wären, wenn sie bekannt würden. Diese Feinde sind ebenfalls auf der Suche nach der CD.»
Ich dachte an Holtzer, dass er aus der japanischen Regierung am liebsten einen «Lustknaben» machen würde, wie er sich ausgedrückt hatte.
Eines verstand ich nicht. «Wieso haben Sie im Kodokan mit mir Kontakt aufgenommen?», fragte ich.
«Neugier», sagte er nachdenklich. «Ich wollte wissen, was einen Mann mit Ihrer Geschichte antreibt. Wenn ich da schon gewusst hätte, in welcher Weise Sie bald mit dieser Sache zu tun haben würden, hätte ich natürlich keinen Kontakt zu Ihnen aufgenommen.»
«Was meinen Sie mit ‹Geschichte›?»
«Ein Mann aus zwei so gegensätzlichen Ländern und Kulturen.»
«Ich glaube, ich komme nicht ganz mit. Ich wüsste nicht, dass wir schon mal miteinander zu tun gehabt hätten, abgesehen von der Tatsache, dass ich aus Versehen zur selben Zeit bei Midori zu Hause aufgetaucht bin wie Ihre Männer.»
«Ah, natürlich können Sie das nicht wissen, aber ich habe von Zeit zu Zeit Ihre Dienste in Anspruch genommen.»
Über Benny. Meine Güte, der kleine Mistkerl hatte es wirklich bunt getrieben. Wahrscheinlich hatte er meine Dienste für einen satten Aufpreis weiterverkauft. Aber das war vorbei.
«Sie sehen also, bis vor kurzem waren unser beider Interessen stets miteinander in Einklang. Wenn wir diese eine Angelegenheit rasch aus der Welt schaffen, können wir zum status quo ante bellum zurückkehren.»
Er wollte diese CD unbedingt haben. Ich hoffte, Harrys Algorithmen liefen schon auf Hochtouren.
«Das Problem ist, wie schon gesagt, dass ich selbst nicht weiß, wo die CD ist oder um was es sich dabei eigentlich handelt», erwiderte ich. «Wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen sagen. Aber ich weiß es nicht.»
Er runzelte die Stirn. «Tut mir Leid, das zu hören. Und Kawamuras Tochter weiß es auch nicht?»
«Woher soll ich das wissen?»
Er nickte ernst. «Das ist ein Problem. Wissen Sie, solange ich nicht erhalten habe, wonach ich suche, stellt Kawamuras Tochter eine Gefährdung dar. Es wäre sehr viel sicherer für sie, wenn ich das Objekt zurückbekäme.»
In diesem Augenblick wollte ich gern glauben, dass an dem, was er sagte, etwas Wahres war. Wenn er die CD wiederhätte, wäre Midori keine Gefährdung mehr. Aber es waren noch andere hinter der CD her, und die konnten nicht wissen, dass Midori sie nicht hatte. Außerdem war die Logistik ein Problem. Yamaoto würde mich niemals auf das Versprechen hin gehen lassen, dass ich mit der CD zurückkäme, und ich würde ihm nicht verraten, dass Midori bei Harry war. Außerdem hatte ich keine Garantie, dass er nicht weitere Mitwisser ausschalten würde, wenn er die CD wiederhatte.
«Auch wenn es nicht viel nutzt, ich glaube nicht, dass sie die CD hat», sagte ich. «Warum hätte Kawamura ihr überhaupt irgendetwas geben sollen? Er hätte doch gewusst, dass er sie damit in Gefahr bringt, oder?»
«Vielleicht hat er sie ihr aus Versehen gegeben. Und wie ich bereits sagte, ist die Tatsache aufschlussreich, dass sie nicht zur Polizei gegangen ist.»
Ich erwiderte nichts, wartete ab.
«Schluss mit den Spielchen», sagte er endlich. Er stand auf und ging zu einem Kleiderständer, wo er eine Anzugjacke von einem Bügel nahm. «Ich muss noch zu einem Termin und kann keine Zeit mehr darauf verwenden, Sie zu überzeugen. Sagen Sie mir, wo ich die CD finde, oder sagen Sie mir, wo ich Kawamura Midori finde.»
«Ich habe Ihnen doch schon gesagt, ich weiß es nicht.»
«Leider gibt es nur eine Methode, herauszufinden, ob Ihre Unwissenheit echt ist. Ich denke, Sie wissen, was ich meine.»
Gut eine Minute lang sagte keiner von uns beiden ein Wort. Ich hörte ihn
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