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Tokio Killer - 02 - Die Rache

Tokio Killer - 02 - Die Rache

Titel: Tokio Killer - 02 - Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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ältesten U-Bahn-Linie der Stadt. Von dort fuhr ich nach Asakusa. Asakusa, im Nordosten der Stadt, gehört zu dem noch erhaltenen Teil der Shitamachi, der Unterstadt, der Altstadt von Tokio.
    Asakusa 2-chome lag nordwestlich vom Bahnhof entfernt. Also ging ich durch den Sensoji, den Tempelkomplex von Asakusa. Er war der Göttin der Barmherzigkeit, Kammon, geweiht. Ich betrat ihn durch das Donnertor. Meine Eltern waren mit mir hierher gekommen, als ich fünf Jahre alt war, und der Anblick der drei Meter großen roten Laterne am Tor zählte zu meinen frühesten Erinnerungen. Meine Mutter bestand darauf, sich in die Warteschlange vor dem Tokiwado-Laden zu stellen, um Kami-nari Okoshi zu kaufen, den für Asakusa typischen Imbiss. Mein Vater beschwerte sich, weil er wegen so einem Touristenblödsinn warten musste, aber sie achtete nicht auf ihn. Ich fand die Kekse köstlich – knusprig und süß –, und während wir aßen, fragte meine Mutter immer wieder lachend: «Oichi, ne? Oichi, ne?» Sind die nicht lecker? Sind die nicht lecker?, bis mein Vater kapitulierte und auch welche aß.
    Vor dem Sensoji-Tempel blieb ich stehen und sah mich um. Es herrschte die übliche Hektik: aufgeregte Touristen, Straßenhändler, die lauthals ihre Ware feilboten, kreischende Schulkinder, riesige Scharen von Tauben, die sich in der Tempelanlage eingenistet hatten. Jemand schüttelte eine Omikuji- Horoskop - Büchse, gefüllt mit Hunderten von Yen-Münzen, die in der Hoffnung auf gute Prognosen eingeworfen worden waren. Aus dem riesigen Messing- Okoro wehte Weihrauchduft an mir vorbei, in der kühlen Luft süß und beißend zugleich. Menschengruppen standen um das Weihrauchfass herum und hielten erkrankte Teile ihres Körpers in den Rauch, von dessen magischen Kräften sie sich Heilung erhofften. Ein alter Mann mit Fischermütze wedelte große Wolken auf seine Lenden und lachte dabei genussvoll. Ein Reiseführer versuchte vergeblich, in dem steten Strom von Passanten ein Gruppenfoto zu machen. Inmitten des ganzen Trubels erhob sich schweigend, finster und ehrwürdig das gewaltige Hozomon-Tor, das völlig ungerührt den Touristenlärm, die hektischen Fotografen und den Taubendreck ertrug, der sich auf seinem Hauptdach türmte wie Opferkerzenwachs.
    Ich ging in westlicher Richtung. Der Lärm verebbte und wurde von einer eigentümlichen, deprimierenden Stille verdrängt, die wie Rauch über der Gegend lag. Es schien, als sei Asakusa außerhalb des touristischen Treibens um den Tempelkomplex von Japans jahrzehntelangem Niedergang hart getroffen worden.
    Ich blickte ständig nach rechts und links und prägte mir die Umgebung ein. Zu meiner Rechten schmollte der Hanayashiki-Vergnügungspark vor sich hin. Sein leeres Riesenrad kreiste sinnlos vor dem aschfahlen Himmel. Der große Platz darunter gehörte fast ausschließlich den Tauben, die sich von der nahen Tempelanlage dorthin verirrt hatten, und ihr gelegentliches Flügelflattern hallte durch die Stille. Hier und da waren Grüppchen von Obdachlosen zu sehen, die aufgesammelte Kippen rauchten. Ein Postbote holte ein paar Kuverts aus einem Briefkasten und hastete weiter, als habe er Angst davor, sich mit der ominösen Krankheit anstecken zu können, die die Bevölkerung des Viertels dezimiert hatte. Der Besitzer eines Coffeeshops saß klein und mickrig hinten in seinem menschenleeren Laden und wartete auf die Stammkundschaft, die schon längst verschwunden war. Selbst die Pachinko-Spielhallen waren leer, und die gekünstelt fröhliche Musik, die aus den Eingängen tönte, klang seltsam und absurd.
    Ich bog um eine Ecke in die Straße ein, die ich gesucht hatte. Ein massig gebauter junger Japaner mit geschorenem Schädel, die Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt, lehnte an der Mauer. Ich hielt ihn für einen Wachposten. Und tatsächlich, am anderen Ende der Straße stand sein Zwilling.
    Ich ging an dem ersten Burschen vorbei. Nach ein paar Schritten wendete ich wie zufällig den Kopf und schaute mich um. Er beobachtete mich und sprach in ein Funkgerät. Es war eine ruhige Straße, und ich sah nicht wie einer von den Rentnern aus, die dieses Viertel bevölkerten. Der Funkspruch wirkte routinemäßig: Da kommt einer, den ich nicht kenne.
    Ich ging weiter und fand die Hausnummer – sie gehörte zu einem unauffälligen zweigeschossigen Haus mit Zementfassade. Die Tür war alt und aus dickem Metall. Drei Reihen mit dicken Bolzen liefen quer darüber hinweg, vermutlich mit Verstärkungsschienen

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