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Tokio Killer - 02 - Die Rache

Tokio Killer - 02 - Die Rache

Titel: Tokio Killer - 02 - Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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auch, wenn du es verdient hättest.»
    «Ich hätte dafür gesorgt, dass du es bereust.»
    «Ich bereue nichts. Du hast mich glücklich gemacht.»
    Ich hörte sie lachen. «Gut. Aber du hast mir noch immer nicht gesagt, wovor du Angst hattest.»
    Ich überlegte einen Moment. Müdigkeit senkte sich auf mich wie eine Decke.
    «Davor, mich auf dich einzulassen. Wie du schon sagtest: Es ist lange her, dass ich mit jemandem zusammen war.»
    Sie lachte wieder. «Wir können uns doch noch gar nicht auf einander einlassen. Ich weiß nicht mal, wer du bist.»
    Mühsam öffnete ich die Augen. Ich sah sie an. «Du weißt mehr als die meisten», sagte ich.
    «Vielleicht macht dir das Angst», erwiderte sie.
    Wenn ich noch länger blieb, würde ich einschlafen. Ich setzte mich auf und fuhr mir mit der Hand übers Gesicht.
    «Schon gut», sagte sie. «Ich weiß, dass du gehen musst.»
    Sie hatte natürlich Recht. «Ach ja?», fragte ich.
    «Ja.» Sie zögerte. Dann: «Ich würde dich gern wiedersehen. Aber nicht im Club.»
    «Das leuchtet ein», sagte ich, da mein Kopf schon wieder auf seine übliche Sicherheitsautomatik geschaltet hatte. Bei meiner Antwort zog sie die Stirn kraus. Ich erkannte meinen Fehler, lächelte und versuchte, mich aus der Affäre zu ziehen: «Nach heute Nacht wäre ich nämlich kaum mehr in der Lage, mich an die Regel ‹nicht unterhalb der Gürtellinie› zu halten.» Sie musste lachen, aber ihr Lachen war nicht ganz echt.
    Ich ging zur Toilette und dann zurück in die Diele, wo ich meine noch immer nassen Sachen anzog. Sie waren kalt und hafteten am Körper.
    Sie kam zu mir, als ich gerade die Schuhe zuband. Sie hatte ihr Haar nach hinten gekämmt und trug einen dunklen Flanellbademantel. Sie sah mich lange an.
    «Ich werde versuchen, dir zu helfen», sagte sie.
    Ich sagte ihr die Wahrheit. «Ich weiß nicht, wie viel du wirklich für mich tun kannst.»
    «Ich auch nicht. Aber ich will es versuchen. Ich will nicht … ich will nicht irgendwann an einem Punkt landen, von dem es kein Zurück mehr gibt.»
    Ich nickte. «Das ist ein guter Grund.»
    Sie griff in eine Tasche des Bademantels und zog einen Zettel heraus. Sie streckte den Arm aus, um ihn mir zu geben, und wieder fiel mir das Diamantarmband auf. Ich hob die Hand und umschloss sanft ihr Handgelenk.
    «Ein Geschenk?», fragte ich neugierig.
    Sie schüttelte langsam den Kopf. «Es hat meiner Mutter gehört», sagte sie.
    Ich nahm den Zettel und sah, dass sie eine Telefonnummer aufgeschrieben hatte. Ich steckte sie ein.
    Ich nannte ihr die Nummer meines Pagers. Sie sollte eine Möglichkeit haben, Kontakt zu mir aufzunehmen, wenn im Club irgendwas passierte.
    Ich sagte nicht: «Ich ruf dich an.» Ich umarmte sie auch nicht, wegen meiner nassen Sachen. Nur ein rascher Kuss. Dann drehte ich mich um und ging.
    Leise schlich ich durch denn Korridor zur Treppe. Mir war klar, dass sie dachte, sie würde mich nicht wiedersehen. Und ich musste zugeben, dass das stimmen konnte. Dieses Wissen war so unangenehm und niederdrückend wie meine durchnässte Kleidung.
    Ich gelangte ins Erdgeschoss und blickte auf den Eingangsbereich vor dem Gebäude. Eine Sekunde lang stellte ich mir vor, wie sie mich dort umarmt hatte. Schon jetzt schien es lange her zu sein. Ich empfand eine traurige Mischung aus Dankbarkeit und Sehnsucht, durchsetzt mit Schuldgefühl und Bedauern.
    Und in einer jähen, blitzartigen Erkenntnis, die den Nebel meiner Müdigkeit mit kalter Klarheit durchzuckte, wurde mir klar, was ich zuvor nicht hatte benennen können, nicht mal mir selbst gegenüber, als sie mich gefragt hatte, wovor ich denn Angst gehabt hatte.
    Es war genau das hier gewesen, der Augenblick danach, wenn ich mit dem Wissen konfrontiert werden würde, das Ganze nähme ein schlechtes Ende, wenn nicht an diesem Morgen, dann am nächsten. Oder dem danach.
    Ich benutzte den Hinterausgang, wo es keine Kamera gab. Es regnete noch immer, als ich nach draußen trat. Die Morgendämmerung war grau und schwach. Ich ging in meinen nassen Schuhen, bis ich ein Taxi fand, und ließ mich zum Hotel bringen.

12
     
    A M NÄCHSTEN T AG kontaktierte ich Tatsu und vereinbarte ein Treffen mit ihm im Sento Ginza-yu, einem Badehaus. Das Sento ist eine japanische Institution, wenngleich ihr Niedergang schon kurz nach dem Krieg einsetzte, als man begann, die Wohnungen mit Bädern auszustatten und sich das Sento von einer hygienischen Notwendigkeit zum gelegentlichen Genuss entwickelte. Aber wie alle Genüsse,

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