Tokio Killer - 02 - Die Rache
kannst, wem dann?»
Er zog eine Grimasse. «Das, was in den TEPCO-Kernkraftwerken passiert ist, war eine Schande, nein, schlimmer noch. Die Manager sollte man hinrichten.»
«Bittest du mich schon wieder um einen ‹Gefallen›?»
Er lächelte. «Wenn ich mit dir rede, muss ich in meiner Wortwahl vorsichtig sein.»
«Wie dem auch sei», sagte ich, «die verantwortlichen TEPCO-Manager sind doch zurückgetreten, oder?»
«Ja, sie sind zurückgetreten. Aber die Politiker, die sie kontrollieren sollten, sind geblieben – dieselben, die einen Anteil der Gelder einstreichen, die für den Bau und den Betrieb von Kernkraftwerken zur Verfügung gestellt werden, dieselben, die erst jetzt Gefahren publik gemacht haben, von denen sie schon seit Jahren wussten.»
Er stemmte sich hoch und setzte sich auf den Rand des Beckens, um sich einen Moment von der Hitze zu erholen. «Weißt du, Rain-san», sagte er, «Gesellschaften sind wie Organismen, und kein Organismus ist gegen Krankheiten gefeit. Entscheidend ist, ob ein Organismus eine wirksame Abwehr mobilisieren kann, wenn er angegriffen wird. In Japan hat das Virus der Korruption das Immunsystem selbst angegriffen, wie eine gesellschaftliche Form von AIDS. Daher hat der Körper die Fähigkeit verloren, sich zu verteidigen.»
Er sah ziemlich deprimiert aus, und einen Moment lang wünschte ich, er würde den ganzen Mist nicht so ernst nehmen. Wenn er so weitermachte, hatte er bald ein Magengeschwür so groß wie ein Asteroid.
«Ich weiß, dass es übel aussieht, Tatsu», sagte ich, um ihn ein bisschen aufzumuntern, «aber Japan ist weiß Gott nicht das einzige Land, dem die Korruption zu schaffen macht. Vielleicht ist es hier ein bisschen schlimmer, aber in Amerika hast du Enron, Tyson, WorldCom, Analysten von Investmentbanken, die die Aktien ihrer Kunden in die Höhe jubeln, damit ihre Kinder in die richtige Vorschule gehen können …»
«Ja, aber sieh dir an, welche Empörung diese Enthüllungen in Amerika ausgelöst haben», sagte er. «Da gibt es öffentliche Anhörungen. Neue Gesetze werden verabschiedet. Firmenchefs wandern ins Gefängnis. In Japan dagegen hält man Empörung für empörend. Unsere Kultur hat offenbar eine starke Neigung zu Ergebenheit, ne?»
Ich lächelte und antwortete ihm mit einem der gängigsten japanischen Ausdrücke: «Shoganai», sagte ich. Da ist nichts zu machen.
Tatsu wischte sich über die Stirn. «Gut. Betrachte diese Situation mal aus Yamaotos Perspektive. Er weiß, dass das Immunsystem lahmgelegt ist und der Organismus des Wirtskörpers daher irgendwann radikal zusammenbrechen wird. Wir waren schon so oft nah dran – finanziell, ökologisch, nuklear –, es ist nur eine Frage der Zeit, bis es zur echten Katastrophe kommt. Egal, was es ist, das Ausmaß wird endlich groß genug sein, um Japans Wähler aus ihrer Apathie zu reißen.»
«Die Bürger würden also endlich für einen Wechsel stimmen.»
«Ja. Die Frage ist nur, einen Wechsel in welche Richtung?»
«Und du meinst, Yamaoto ist dabei, sich so zu positionieren, dass er auf dieser herannahenden Welle der Empörung reiten kann?»
«Natürlich. Sieh dir doch nur Murakamis Kaderschmiede für Killer an. Dadurch ist Yamaoto noch besser in der Lage, andere einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.»
Ich dachte an einige der guten Nachrichten, die ich in der Zeitung gelesen hatte, dass Politiker in der Provinz den Bürokraten und anderen korrupten Interessenvertretern die Stirn boten, Einsicht in ihre Akten gewährten und die öffentlichen Bauvorhaben ablehnten, die in der Vergangenheit das Land fast unter Beton begraben hatten.
«Und du arbeitest mit untadeligen Politikern zusammen, um dafür zu sorgen, dass Yamaoto nicht die einzige Alternative für empörte Wähler ist?», fragte ich.
«Ich tue, was ich kann», sagte er.
Übersetzung: Ich habe dir alles gesagt, was du wissen musst.
Aber ich wusste, dass ihm die CD, praktisch ein Who’s Who von Yamaotos Korruptionsnetzwerk, per negativer Implikation einen kostbaren Wegweiser zu denjenigen geliefert hatte, die dem Netzwerk nicht angehörten. Ich stellte mir vor, wie Tatsu mit den Guten zusammenarbeitete, sie warnte, versuchte, sie zu schützen. Sie wie Steine auf einem Go-Brett anordnete.
Ich erzählte ihm vom Damask Rose und Murakamis offensichtlicher Verbindung zu dem Club.
«Die Frauen dort werden dazu eingesetzt, Yamaotos Feinde in die Falle zu locken und zu verführen», sagte er, als ich fertig war.
«Nicht
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