Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
selbstbewusst auf sich aufmerksam: eine schlichte, grüne Markise, auf der in weißen Lettern »Brown Sugar - The Finest Jazz Restaurant« stand. Eine Backsteinfassade und ein Eingang aus lackiertem Holz, die Tür offen, einladend. Ein Fenster, in dem auf gläsernen Regalböden allerlei Krimskrams ausgestellt war - eine Bourbonkaraffe aus Keramik mit einer Karte von Kentucky darauf, ein altertümlicher Cocktailshaker, eine Sammlung winziger Glasflaschen, zwei identische Kaffeedosen, eine Mokkatasse, Keramiksoldaten in napoleonischer Uniform. Davor auf dem Bürgersteig ein paar Holztische und Stühle, nur von dem Licht erhellt, das aus dem Club drang.
Ich freute mich, dass der Laden noch gut lief. Rechts davon lag eine kleine Gasse und links eine Reihe von Bars mit Namen wie Bar D und The Room und Café Noir. Im Gegensatz zum Brown Sugar, das ein klassisches - manche würden sagen, verlebtes - Flair hatte, sahen die anderen alle neu aus. Ich hatte so das Gefühl, dass von den neuen Läden in einem Jahr keiner mehr da sein würde. Das Brown Sugar war vielleicht älter, aber es hatte einen langen Atem.
Wir stiegen aus dem Taxi, überquerten die Straße und gingen hinein. Ein Schild an der Tür verkündete, dass heute Abend die Band »Anodard« spielte. »Anodard« bestand, wie sich herausstellte, aus zwei Gitarristen, einem Saxophonisten, einem Keyboarder, einem Drummer und einer hübschen Sängerin. Sie spielten eine nette Coverversion von Brenda Russells »Baby Eyes«, und der enge, niedrige Hauptraum mit Platz für dreißig Leute war etwa drei Viertel voll. Das Dekor war genauso, wie es sein sollte: schummrige Beleuchtung, Tische und Fußboden abgewetzt, verblichene Jazzposter an den Wänden. Ich hoffte, das keiner je auf die Idee kam, den Laden renovieren zu lassen. Wir setzten uns an einen Tisch auf der rechten Seite der Bar, mit Blick auf die Band. Das einzige bedauerliche Manko am Brown Sugar ist sein phantasieloses Angebot an Single Malts, aber ich begnügte mich mit einem achtzehn Jahre alten Glenlivet. Dox bestellte einen Stoli auf Eis. Wir lehnten uns zurück, schlürften unsere Drinks und lauschten der Musik. »Anodard« spielte eher Pop als Jazz, aber die Band war gut und das war die Hauptsache.
Es war für mich ein wenig ungewohnt, in Begleitung auf einem Konzert zu sein. Normalerweise gehe ich allein in einen Club, komme und gehe leise und unauffällig und ohne mir darüber Gedanken machen zu müssen, ob einem anderen die Musik gefällt oder nicht. Als die Band nach einer halben Stunde eine Pause machte, fragte ich Dox: »Und? Was sagst du?«
Er zog die Stirn in Falten, als würde er angestrengt nachdenken. »Na ja, ein bisschen gewöhnungsbedürftig. In den Lokalen, die ich in Bangkok frequentiere, tanzen junge Frauen auf den Tischen und tragen Nummern auf ihrem Bikinihöschen. Aber ich kann mir vorstellen, wo der Reiz liegt.«
Ich nickte. »Na, dann besteht ja noch Hoffnung für dich.«
»Und die Sängerin ist sexy.«
»Eine schwache Hoffnung.«
Er lachte. »Weißt du, Partner, diese Delilah hat wirklich Klasse. Mir ist schleierhaft, was sie an einem Taugenichts wie dir findet.«
»Mir auch.«
Er bedachte mich mit einem Lächeln, das fast ein anzügliches Grinsen war. »Sie muss dich ja ganz schön verdroschen haben. Wusste gar nicht, dass du auf so was stehst.« Ich sah mich nach der Kellnerin um.
»Ich mag es, wenn eine Frau keine Angst davor hat, leidenschaftlich zu werden«, fuhr er in einem nachdenklichen Ton fort, offenbar unbeeindruckt davon, dass ich nicht reagierte. »Mann, wenn ich bloß dran denke, macht es mich schon an.«
»Sei so lieb und behalte deine Gedanken für dich«, sagte ich.
»Ach, komm, wir sind Partner und Freunde, und wir sind hier im herrlichen Thailand, dem Land des Lächelns! Wir müssen doch kein Blatt vor den Mund nehmen.«
»Dox, du hast noch nie ein Blatt vor den Mund genommen.«
»Das fasse ich als Kompliment auf. Jedenfalls, ich glaube, deine Lady wird uns helfen. Ich hab bei ihr ein gutes Gefühl.«
»Ja?«
»Ja.«
»Gefühle können täuschen.«
»Ach, Partner, da ich deine vollentwickelte Universalparanoia nun mal nicht habe, kann ich mich oft nur auf meinen Instinkt verlassen. Und der hat mir bislang gute Dienste geleistet, sonst wäre ich wohl kaum noch da, um drüber reden zu können.«
Ich merkte überrascht, dass seine Worte ein wenig schmerzten. Seit wir Phuket verlassen hatten, spielte ich im Kopf irgendwelche Szenarien durch, um meine
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