Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
das stimmt, steht die Sayeret-Technologie zu Ihrer Verfügung. Ich kann sie Ihnen bringen.«
Operativ verwertbare Informationen?, dachte ich. Jetzt vielleicht, aber nicht, als Delilah Kontakt zu Boaz aufgenommen hatte. Tja, sie hatte ihm erzählt, was sie für nötig hielt, um ihn zu aktivieren.
»Fürchten Sie keinen Vergeltungsschlag der CIA?«, fragte ich, um Zeit zu schinden. Ich war noch immer unschlüssig, ob ich ihm sagen sollte, wo er mich finden konnte.
»Hilger ist nicht mehr bei der CIA, wie Sie wissen. Er arbeitet jetzt unabhängig. Das macht ihn verwundbar.«
Nicht unbedingt eine beruhigende Aussage, aus meiner Perspektive. Verdammt, was sollte ich bloß machen …
»Ich bin in Singapur«, sagte ich und hatte das Gefühl, dass mir die Situation entglitt. Zuerst Kanezaki, dann Delilah, dann Boaz … Himmel, wieso schmiss ich nicht gleich eine ganze Party?
»Ich bin in drei Stunden da. Sagen Sie mir, wo.«
»Kann ich Sie unter dieser Nummer erreichen?«, fragte ich.
»Natürlich, es ist ein Handy, GSM.«
»Ich ruf Sie an. Warten Sie irgendwo im Einkaufszentrum an der Orchard Road.«
Nach den üblichen Vorsichtsmaßnahmen im Flughafen und auf der Fahrt in die Stadt, unter besonderer Berücksichtigung der umfangreichen öffentlichen Kameraüberwachung in Singapur, erreichte ich das Grand Hyatt unweit der Orchard Road, im Herzen von Singapurs edlem Shoppingviertel. Es war sechsundzwanzig Grad und schwül, und nach den arktischen Temperaturen in New York genoss ich die tropische Wärme. Der Bereich vor den Orchard Towers wimmelte von gutgekleideten Chinesen, Malaysiern, Indonesiern und Westlern, und ich schnappte Gesprächsfetzen in einem halben Dutzend Sprachen auf. Pkws und Taxis stauten sich geduldig vor den Ampeln im dichten Verkehr, und das auffällige Fehlen von wütendem Gehupe rang mir beinahe ein Schmunzeln ab. Die Leute hier hatten offenbar einen Weg gefunden, miteinander klarzukommen.
Ich nahm den Aufzug in den zehnten Stock, ging dann die Treppe hinunter in den siebten. Ich bewegte mich vorsichtig den leeren Flur hinunter, bis ich zu Kanezakis Tür kam. Nachdem ich angeklopft hatte, trat ich rasch einige Schritte zurück. Trotz allem, was meine Vernunft mir sagte, ging ich nur äußerst ungern irgendwohin, wo ich erwartet wurde. Erst recht nach dem, was vor Accinellis Apartment passiert war.
Kanezaki öffnete die Tür und blickte mich leicht amüsiert an. »Wollen Sie nicht reinkommen?«, erkundigte er sich.
Ich nickte und betrat das Zimmer. Die Jalousien waren geschlossen, und mir fiel gleich auf, dass die Schiebetür zum Badezimmer geöffnet war. Ebenso der Wandschrank. Er war ebenso höflich wie vernünftig. Wenn du mit jemandem zu tun hast, der eine Bedrohung erwartet, handelst du dir nur Ärger ein, wenn du ihn nicht deine Hände sehen lässt.
Kanezaki hängte das BITTE-NICHT-STÖREN-Schild draußen an die Tür, ehe er sie abschloss. Dann stellte er eine große Nylontasche auf eines der beiden Einzelbetten und bedeutete mir, sie zu öffnen. Indem er mich dazu aufforderte, statt es selbst zu tun, bewies er erneut Erfahrung und gesunden Menschenverstand.
Ich stellte mein Handgepäck ab und sah in die Tasche. Sie enthielt eine SOCOM HK Mark 23 mit einem Trijicon-Nachtvisier, ein Laser-Zielmodul, einen Schalldämpfer der Marke Knight’s Armement, zwei Ersatzmagazine, einhundert Schuss Federal-Hydra-Shock-Munition und ein taktisches Oberschenkelholster von Wilcox. Außerdem eine Nachtsichtbrille. Die gleiche Ausrüstung, die er Dox und mir ein Jahr zuvor für unseren Einsatz in Wajima beschafft hatte.
»Ich hab doch gesagt, ich brauch was Kleines, das sich verstecken lässt«, sagte ich, während ich die HK in der Hand wog, den Schlitten zurückzog, um nachzusehen, ob die Kammer leer war. Mit aufgeschraubtem Schalldämpfer war das verdammte Ding über vierzig Zentimeter lang.
»Ich tue mein Bestes«, sagte er. »Ich dachte, die SOCOM gefällt Ihnen.«
»Tut sie auch. Ich will bloß nicht damit am helllichten Tag auf der Straße rumspazieren.«
»Findet die Sache tagsüber statt? Dann brauchen wir die Nachtsichtausrüstung doch gar nicht.«
»Nein. Ist aber besser, sie zu haben und nicht zu brauchen.«
»Na, die SOCOM kann ich mir nun mal aus der Waffenkammer ausleihen, ohne dass jemand Fragen stellt. Schauen Sie, ich hab Ihnen auch einen Angleroverall eingepackt. Das Oberschenkelholster passt da locker drunter. Und wenn Sie in Hüfthöhe ein Loch reinschneiden, haben Sie guten
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