Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
gut vorstellen, dass er auch Zugang zu Daten der Einreisebehörden hatte. Wenn er wusste, welchen Flug ich nehmen würde, bräuchte er nur ein Team am Flughafen in Saigon zu postieren. Die sicherere Alternative wäre tatsächlich die, nach Hanoi zu fliegen und von dort mit einer Inlandsmaschine weiter nach Saigon. Aber dafür blieb keine Zeit. Zumindest sollte ich nicht direkt von Paris fliegen, um wenigstens meine Ankunftszeit zu verschleiern.
Um 7.20 Uhr am Abend ging ein Flug von Frankfurt nach Bangkok, wo ich umsteigen würde und um 3.25 Uhr am Nachmittag darauf in Saigon wäre. An Flügen von Paris nach Frankfurt mangelte es natürlich nicht. Die Frau, die mich bediente, war ein wenig verwirrt, als sie hörte, dass ich nicht einfach nonstop mit Air France von Paris fliegen wollte. Um Meilen zu sammeln, erklärte ich ihr. Ich wollte mich in die erste Klasse upgraden lassen. Aber, Mist, ich hatte meine Vielfliegerkarte nicht dabei … Ich würde das später klären, direkt mit der Fluggesellschaft. Ich buchte den Flug auf Taro Yamada, den Namen in dem Pass, den ich verwenden würde, das japanische Äquivalent von John Smith. Yamada war zurzeit mein seriösestes Alter Ego, das sich zu einer reifen Identität gemausert hatte, samt Führerschein, Kreditkarten, Bankkonten und den übrigen Merkmalen eines unscheinbaren Bürgers.
Ich war seit über drei Jahrzehnten nicht mehr in Saigon gewesen, und ich wusste, ich würde eine Menge lernen müssen, ohne viel Zeit dafür zu haben. Nun gut, ich könnte mir am Flughafen einen Reiseführer kaufen und ihn auf dem Flug lesen. Damit, plus der Zeit, die ich bereits in dem Land verbracht hatte, plus dem einen Tag, den ich mehr hatte als Hilger, wäre ich im Vorteil.
Ich war tatsächlich schon in meiner Wohnung beim Packen – ein paar Sachen zum Wechseln, nicht ganz zehntausend Dollar in bar –, als mir einfiel, dass ich mit Delilah auf einen Drink in Montparnasse verabredet war. Scheiße. Ich überlegte kurz. Sie auf ihrem Handy anrufen? Um ihr was zu sagen?
Ich sah auf die Uhr. Ich hatte nur Handgepäck, daher konnte ich mich mit ihr treffen und den Flug trotzdem noch erwischen. Ich ging nach draußen auf den Boulevard Henry IV und nahm ein Taxi.
Jetzt, da die Logistik geregelt war, überkam mich ein schleichendes Unbehagen, das nichts mit meiner Angst um Dox zu tun hatte. Vielleicht war Saigon doch eine schlechte Idee. Vietnam bot Sicherheitsvorteile, das ja, aber für mich war es auch ein Land unbegrabener Erinnerungen an eine Welt, die ich niemals würde vergessen können, nur hinter mir lassen, vielleicht. Ich fragte mich, warum der Eismann dorthin zurückwollte, was er sich davon versprach.
Ich würde die Frage vorläufig auf sich beruhen lassen müssen und ihm vertrauen, wie ich es immer getan hatte. Es kam nur darauf an, dass er jetzt hier war, von einer Krise heraufbeschworen. Wenn diese Krise behoben war, würde ich mir überlegen müssen, wie ich ihn wieder loswurde.
7
DELILAH SASS AN EINEM Ecktisch in der Brasserie La Closerie des Lilas in Montparnasse. Es gefiel ihr, dass John noch nicht da war. Lange Zeit war er jedes Mal vor ihr da gewesen. Wenn sie nach dem Grund fragte, sagte er immer, er habe schon früher Zeit gehabt und habe Zeitung lesen oder die Leute beobachten wollen. Sie wusste es besser und wusste, dass er es wusste, aber was hätte es gebracht, irgendwas zu sagen? Er kam früher, weil es eine alte Gewohnheit war, eine Maßnahme, um einen Hinterhalt zu vermeiden. Sie wandte natürlich ähnliche Techniken an, aber Rain war extrem.
Selbst wenn er genau pünktlich kam, hatte sie das Gefühl, dass er in der Nähe gewesen war, um ihren Treffpunkt vorher zu beobachten, um zu sehen, wie sie als Erste eintraf. Einmal war sie sogar selbst absichtlich zwei Stunden früher erschienen, und siehe da, kaum hatte sie ihren Posten bezogen, da bemerkte sie ihn, wie er unauffällig die Gegend absuchte und die Gefahrenherde kontrollierte. Danach hatte sie aufgegeben, weil er einfach noch eine Stunde früher gekommen wäre, sobald er wusste, dass sie demnächst zwei Stunden früher da sein würde.
Schön war, dass er Fortschritte machte und es ihn mittlerweile anscheinend nicht mehr beunruhigte, manchmal einfach nur pünktlich zu kommen. Nach wie vor würde er sich nicht mit dem Rücken zur Tür setzen, nicht so bald, vielleicht nie. Und sie hütete sich, von hinten an ihn heranzutreten oder aus seinem toten Winkel heraus, was ohnehin nicht einfach war, da er
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