Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
Delilah.
»Ich hab ihn nicht gesehen«, sagte Dox. »Aber da waren jede Menge Leute, und ich hab nach Yamaoto Ausschau gehalten. Wieso, sollte ich den auch erschießen?«
»Erklär ich dir später«, sagte ich. »Los kommt jetzt, wir verschwinden.«
»Vielleicht hat er sich hier irgendwo versteckt«, sagte Delilah. »Wir sollten …«
Ich schüttelte den Kopf. »Du hast genug getan, mehr als genug. Wir müssen hier weg.«
Ich zog mein Jackett aus und half Delilah hinein, dann eilten wir drei durch den Ausgang im Untergeschoss nach draußen.
Die Sirenen waren jetzt ganz nahe. Wir liefen an der Ostseite des Gebäudes entlang durch eine Gasse und gelangten dann auf die Straße, die das Gelände des Clubs nach Süden hin begrenzte. Der Van stand noch da, wo ich ihn geparkt hatte. Wir stiegen ein und fuhren los, Delilah auf dem Beifahrersitz, Dox hinten. Schon bald waren wir auf der Nireke-dori in südlicher Richtung unterwegs. Die freundlichen Straßenlampen und die Boutiquen mit den geschlossenen Rollläden wirkten vollkommen surreal nach dem, was wir soeben durchlebt hatten.
»Wie war das mit Yamaoto?«, fragte Delilah.
Dox erzählte ihr, was passiert war. Ich merkte ihm an, wie sehr es ihn wurmte, dass ihm kein finaler Schuss gelungen war.
»Verdammt tolle Leistung, dass du überhaupt getroffen hast«, sagte ich. »Das Ziel in Bewegung, nur eine Sekunde Zeit, und dann noch die vielen panisch rumrennenden Menschen …«
»Ja, aber …«
»Kein aber. Du hast ihn erwischt, keiner hätte es besser gekonnt als du.«
»Aber nicht so erwischt, wie ich’s gern gehabt hätte. Trotzdem, das war ein Hohlmantelgeschoss, und er hat jetzt irgendwo in der Brust ein ganz schönes Loch. Dass der Bursche überhaupt noch bis zum Wagen gekommen ist, verdankt er einem Eimer voll Adrenalin und einer Riesenmenge Glück. Ich hoffe bloß, da war ein Krankenhaus in unmittelbarer Nähe.«
Krankenhäuser, dachte ich. Natürlich.
Ich holte mein Handy raus und rief Tatsu an.
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I CH BERICHTETE T ATSU AUSFÜHRLICH , was passiert war. Er klang schwach und stöhnte vor Schmerzen, aber sein Verstand schien hellwach wie immer.
Als ich fertig war, sagte er: »Mach dir wegen Kuro keine Gedanken. Das Problem lässt sich lösen. Es geht um Yamaoto. Und nach dem, was du erzählt hast, landet der in kürzester Zeit entweder im Krankenhaus oder im Leichenschauhaus. Ich finde raus, wo, und ruf dich wieder an.«
Ich legte auf und sagte zu Dox und Delilah: »Mein Kontakt lässt sämtliche Krankenhäuser in der Gegend von seinen Leuten überprüfen. Wenn Yamaoto irgendwo in der Notaufnahme auftaucht, erfahren wir es sofort.«
Wir fuhren eine Stunde lang herum und schilderten uns gegenseitig die Geschehnisse im Club aus unserer jeweiligen Perspektive. Tatsu meldete sich nicht.
Danach – inzwischen war es nach Mitternacht – blieb uns nichts anderes zu tun, als auf Tatsus Anruf zu warten. Ich fuhr nach Akasaka und setzte Dox in der Nähe des Akasaka Prince Hotel ab, wo er am Nachmittag ein Zimmer reserviert hatte. Nach der Operation, die wir gerade abgeschlossen hatten, war es für uns alle besser, das Hotel zu wechseln. Delilah öffnete die Tür, und er kletterte über sie hinweg nach draußen. Dann drehte er sich zu uns um.
»Sobald du was hörst, ruf mich sofort an«, sagte er.
Ich nickte. »Mach ich.«
»Ich mein das ernst. Keine Alleingänge mehr wie in New York.«
»Okay.«
Er musterte mich mit unverhohlener Skepsis. Dann sagte er zu Delilah: »Kannst du den Mann mit seinem ausgewachsenen Einsamer-Wolf-Komplex nicht mal zur Vernunft bringen?«
Delilah lächelte. »Ich versuch’s.«
Er tätschelte ihr Knie und sah ihr in die Augen. »Delilah, von dir würde ich mir jederzeit Rückendeckung geben lassen. Und du kannst dich drauf verlassen, dass ich das umgekehrt genauso tun werde.«
Sie lächelte. »Heute Abend hast du ziemlich viel von meinem Rücken zu sehen bekommen.«
Dox blinzelte und lief knallrot an. »Ich wollte sagen …«
Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich weiß, was du sagen wolltest. Und danke.«
Er blickte mich an und sagte: »Ich hab nämlich eine gute Kinnpartie.« Dann schlug er die Tür zu und war verschwunden.
Ich fuhr weiter. Delilah sagte: »Ich muss dir was sagen. Dox sollte das nicht hören, weil ich gemerkt habe, wie sauer er auf sich selbst ist, dass er Yamaoto nicht erledigt hat.«
»Was denn?«
»Heute Abend hat Yamaoto mich irgendwann gepackt und am Handgelenk
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