Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
besondere geschäftliche Charakter des Clubs und seine Verbindungen zum organisierten Verbrechen schienen viele Zeugen daran zu hindern, sich exakt an die Ereignisse des Abends erinnern zu können.
Ich teilte Dox und Delilah mit, was ich von Tatsu erfahren hatte, hielt mich aber ansonsten von ihnen fern. Ich erklärte das mit operativen Gründen, sagte, es sei besser, wir würden uns so lange nicht treffen, wie es nicht unbedingt erforderlich sei. Aber es steckte mehr dahinter. Ich hatte das Gefühl, am Rand eines Abgrunds zu stehen. Wenn die Dinge in die eine Richtung gingen, hätte ich bald wieder festen Boden unter den Füßen. Wenn sie in die andere gingen, würde ich ins Bodenlose stürzen. Das, was mit Delilah im Van geschehen war, änderte nichts daran, dass ich niemandem von diesem Gefühl erzählen konnte. Ich musste allein damit leben.
Am selben Abend wurden drei United-Bamboo-Mitglieder vor einem Club erschossen, den sie in Shinjuku betrieben. Wieder berichteten die Medien ausführlich und behandelten die Schießerei als eine weitere Straßenschlacht in einem Krieg zwischen der Yakuza und ausländischen Banden. Tatsu rief mich deswegen an. Er sagte: »Damit hast du doch nichts zu tun, oder?«
Es tat fast weh, seine Stimme zu hören, so schwach war sie.
»Nein«, sagte ich. »Ich hab’s eben erst erfahren.«
»Dann ist es eine gute Nachricht. Es bedeutet, Yamaoto hat noch nicht verbreiten können, dass du hinter der Sache im Whispers steckst. Wenn doch, würden seine Leute keine Vergeltungsschläge gegen die Chinesen verüben. Ich hab dir ja gesagt, Midori und dein Sohn sind vorläufig noch in Sicherheit.«
»Nicht, wenn Yamaoto überlebt.«
»Er liegt noch auf der Intensivstation. Aber sein Zustand verbessert sich.«
»Wie schön.«
Er hörte meine bittere Ironie. »Nein, das ist gut. Vielleicht wird er morgen schon verlegt.«
»Also gut. Dann geb ich dir mal eine Liste von Dingen durch, die ich brauchen werde.«
Ich tat es. Als ich fertig war, sagte er: »Kein Problem.«
Seine Stimme wurde noch schwächer. Ich sagte: »Wie geht’s dir?«
»Ich … halte durch.«
Ich biss die Zähne zusammen. »Mach weiter so, okay?«
»Okay.«
Ich wollte mehr sagen. Was herauskam, war: »Versuch, ein bisschen zu schlafen. Du kannst mich anrufen, wenn du was hörst.«
»Okay«, sagte er wieder und legte auf.
47
A M NÄCHSTEN M ORGEN ABSOLVIERTE ICH wieder ein hartes Training, was mich erneut ein wenig beruhigte. Ich duschte und rasierte mich, frühstückte ordentlich in einem Restaurant in der Nähe und ging dann spazieren.
Es war ein sonniger Tag, kalt und klar. Ich ging vom Restaurant aus in östlicher Richtung, vorbei an den Menschenmassen, die durch und um den Shinjuku-Bahnhof strömten, bis ich schließlich den Shinjuku-Gyoen-Park erreichte, wo die Chrysanthemen ihre kurze Blüte genossen. Ich schlenderte zwischen den Ständen und Blumenbeeten umher und schaffte es tatsächlich für eine Weile, in den kleinen Meeren aus Gelb und Pink und Lila alles andere zu vergessen.
Als ich den Park verließ, klingelte mein Handy. Es war Tatsu. Ich klappte es auf und sagte: »Ja.«
»Er wurde heute Morgen verlegt. Nachsorgestation. Er ist stabil, steht aber unter starken Betäubungsmitteln. Sag mir, wenn du bereit bist.«
»Ich bin jetzt bereit. Wie viele Leute bewachen ihn, wer sind sie und wo?«
»Es sind sieben. Drei vor dem Zimmer, je zwei an beiden Enden des Korridors.«
»Und das lassen sich die Krankenschwestern gefallen?«
»Wenn du seine Männer sehen würdest, würdest du dich auch nicht mit ihnen anlegen.«
Ich überlegte einen Moment. Die gestaffelte Überwachung war clever. Um an die Bodyguards vor dem Zimmer ranzukommen, musste ich erst mit zweien an einem Ende fertig werden. Das würde mich auf jeden Fall kurz aufhalten, wodurch die drei in der Mitte Zeit hatten, sich vorzubereiten, und die zwei am anderen Ende zu Hilfe kommen konnten.
»Hast du nicht gesagt, du würdest dich um das Problem kümmern?«, fragte ich.
»Ja. Ich werde sie alle festnehmen lassen.«
»Ich dachte, du könntest nichts …«, setzte ich an.
»Ich hab nicht gesagt, dass ich sie lange festhalten kann. Und ja, dieser kleine Schachzug wird mich vermutlich den Job kosten. Aber wenn sie mich feuern wollen, müssen sie sich beeilen.« Er lachte, hustete dann.
Das Husten dauerte eine Weile. Es klang so, als würde er etwas trinken, dann hörte es auf.
»Wie schnell schaffst du das?«, fragte ich.
»Gib mir eine
Weitere Kostenlose Bücher