Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
erwartet, schon so bald von dir zu hören.«
»Ich hab da ein … Problem, bei dem ich deine Hilfe gebrauchen könnte. Falls du interessiert bist.«
»Beruflich oder privat?«
»Privat. Aber ich würde dich bezahlen.«
»Hör mal, mein Junge, wenn du bei einem privaten Problem meine Hilfe brauchst, nehme ich dafür kein Geld. Wir sind Partner. Ich helfe dir einfach, und ich weiß, das würdest du umgekehrt genauso tun.«
Ich war so daran gewöhnt, mich als Einzelkämpfer gegen den Rest der Welt zu sehen, dass ich kurz fassungslos darüber war, wie sehr ich mich doch auf diesen Mann verlassen konnte.
»Danke«, brachte ich schließlich hervor.
»Alles klar, Mann. Also, was brauchst du?«
»Wie schnell kannst du in New York sein?«
»Menschenskind, morgen, wenn du es sagst.«
»Nein, bleib das Wochenende bei deinen Eltern. Ich muss vorher sowieso noch ein paar Sachen erledigen. Am besten wäre, wir treffen uns Montag.«
»Abgemacht.«
»Und auch wenn du kein Geld haben willst, deine Spesen übernehme ich. Sag mir, was du für Kosten hast, okay?«
»Klar doch, ich nehme meine gewohnte Suite im Peninsula, und du kannst dann direkt mit denen abrechnen.«
»Gern. Obwohl ich glaube, ein Hotel irgendwo Downtown wäre vielleicht praktischer.«
»He, Mann, das sollte ein Witz sein. Das mit dem Bezahlen, meine ich. Du hast mir deinen Anteil vom Erlös aus der Hongkong-Operation überwiesen, weißt du nicht mehr? Das müsste sämtliche anfallenden Kosten decken, aber dicke.«
In Hongkong hatte Dox auf fünf Millionen Dollar verzichtet, um mir das Leben zu retten. Anschließend hatte ich ihm zum Dank das Honorar gegeben, das ich für die Operation erhalten hatte. Er hatte das Geld nicht annehmen wollen, aber schließlich doch nachgegeben.
»Na schön, ich will mich deshalb nicht mit dir streiten«, sagte ich.
»Gut. Du kannst mir aber ein Bier spendieren. Oder diesen klasse Whisky, den du so magst.«
Ich schmunzelte. »Ich ruf dich Montag an.«
4
I CH HATTE ES NICHT EILIG , daher flog ich einen Umweg, was immer sicherer ist. Mit der noch immer funktionierenden Watanabe-Identität, die ich mir drei Jahre zuvor zugelegt hatte, um nach Brasilien zu kommen, passierte ich reibungslos die Passkontrolle am Washingtoner Dulles Airport. Von dort war es nur noch ein kurzer Flug nach New York.
Obwohl ich keinen Direktflug genommen hatte, suchte ich nach meiner Landung am JFK die Menschenmenge im Ankunftsbereich ab, ehe ich einen umständlichen Weg durch den Flughafen nahm, um eventuelle Überwacher zu entdecken. Ankunftsbereiche sind natürliche Engpässe, in der Regel dicht gedrängt voll wartender Menschen, die jemandem, der es auf mich abgesehen hat, unabsichtlich Deckung bieten. Ich erhöhe an diesem Punkt meiner Reise automatisch meine Wachsamkeit und treffe entsprechende Gegenmaßnahmen.
Als ich sicher war, dass niemand mir folgte, ging ich nach draußen. Ich trat in einen kalten und verregneten New Yorker Nachmittag. Der Himmel war bleigrau, und es sah so aus, als würde der Regen jede Minute in nassen Schnee umschlagen.
Ich war seit Jahren nicht mehr hier gewesen. Meine Kindheit habe ich teils in Tokio, teils im Staat New York verbracht. Manhattan war die erste amerikanische Metropole, in der ich längere Zeit gelebt habe. Seitdem war ich häufiger beruflich in der Stadt gewesen, aber nie war das Berufliche so mit dem Privaten verquickt gewesen wie jetzt.
Die Schlange am Taxistand war nicht lang. Als ich an die Reihe kam, stieg ich ein und sagte dem Fahrer, dass ich zum Ritz Carlton am Battery Park wollte. Ich hatte von Barcelona aus ein Zimmer reserviert, aber in dem Telefonat mit Dox das Hotel nicht erwähnen wollen. Er mochte ja recht damit haben, dass ich ein wenig lockerer wurde, aber manche Gewohnheiten legt man eben nicht so schnell ab.
Während der Fahrt schaute ich durch die leicht beschlagenen Fenster. Die Scheibenwischer des Taxis arbeiteten unaufhörlich, wupp-wupp, wupp-wupp, und ich hörte Donner in der Ferne. Wir fuhren nach Manhattan hinein. Die wenigen Fußgänger hatten alle die Köpfe unter Kapuzen und schützenden Schirmen gesenkt und zwischen die Schultern gezogen, als würde irgendetwas Düsteres sie niederdrücken.
Ich hatte gedacht, die Aufregung würde mich packen, wenn ich hier ankam, aber dem war nicht so. Stattdessen spürte ich Angst.
Wenn man im Leben ständig in Gefahr ist, hat man oft Angst. Aber man entwickelt Methoden, damit umzugehen. Man bevorzugt gewisse Hilfsmittel,
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