Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
etwas Schlaf zu bekommen.
Ich ging zurück ins Hotel und nahm ein dampfend heißes Bad. Es kochte mir die Anspannung aus der Muskulatur, und anschließend, als ich im Bett lag, fühlte sich mein Körper fast gummiartig an vor Entspannung. Dennoch konnte ich die Gedanken einfach nicht abstellen. Ich sah Koichiros Gesicht vor mir und erinnerte mich, wie er sich enger an mich geschmiegt hatte, als ich ihn hielt. Ich starrte lange an die Decke, und irgendwann merkte ich, dass ich genau wie Tatsu Onegai shimasu flüsterte, wieder und wieder. Bitte. Bitte.
15
D ELILAH ERWACHTE F REITAGABEND AUS EINEM kurzen Schlaf in ihrem Zimmer im Mercer Hotel in SoHo. Sie hatte auf dem Flug kein Auge zugetan, war aber, kaum dass sie eingecheckt und ausgepackt hatte, eingenickt. In Paris war es jetzt früher Morgen, und ihr Körper fühlte sich einsatzbereit an.
Als sie die Vorhänge öffnete, bot sich ihr die »Aussicht auf den Hof«, wie es in der Zimmerbeschreibung vom Hotel hieß. Eigentlich war die Aussicht gar nicht mal schlecht. Es gab tatsächlich einen Hof, der hübsch im Schein eines Halbmondes dalag, und ein Zimmer auf einen ruhigen Hof war ihr lieber als eines an einer lauten Straße.
Sie mochte das Hotel. Es hatte was leicht Hippes – Portier in schwarzem Rollkragenpullover mit Schauspielerambitionen, ein Kondom neben den Wattestäbchen im Bad –, aber so war SoHo nun mal, und es gefiel ihr.
Sie duschte, föhnte sich die Haare und schminkte sich nur ganz dezent – Mascara, Rouge, einen Hauch Eyeliner als Akzent, mehr nicht. Dann ein paar Tropfen von ihrem Lieblingsparfüm, das sie sich eigens bei Guerlain mischen ließ und das sie auch immer für Rain trug. Sie wusste, dass es ihm gefiel, und dieses Wissen im Hinterkopf zu haben würde ihr guttun.
Sie ging ins Schlafzimmer, breitete die Kleidungsstücke aus, die in Frage kamen, und betrachtete sie: dunkle, hautenge Jeans, unbedingt. Ihre Lieblingsstiefel, mahagonibraun mit hohen Absätzen, unbedingt. Hmm, sie hatte einen Chanel-Seidenblazer im Retrolook, den sie auf der Rue Guisarde bei Les 3 Marches de Catherine B gekauft hatte. Der war natürlich umwerfend. Aber … nein, vielleicht waren die Glasperlenornamente doch ein bisschen zu elegant für eine Jazzbar in SoHo. Also … ja, besser fuhr sie mit dem Santa-Eulalia-Bolero. Das satte Schokoladenbraun passte toll zu ihrem Haar und auch zu der Jeans. Rain hatte ihn ihr neulich erst auf der Passeig de Gràcia in Barcelona gekauft … auch das würde ihr heute Abend ein gutes Gefühl geben. Und darunter … ja, das dunkelbraune Seiden-Camisole von Sabbia Rosa, dazu passender BH und Tanga-Slip, Unterwäsche, die schon sexy aussah, wenn sie einfach so auf dem Bett lag. Okay.
Sie war es eher gewohnt, sich für Männer anzuziehen als für Frauen, doch als sie fertig war und sich im Spiegel betrachtete, hatte sie das Gefühl, genau die richtige Wahl getroffen zu haben. Sie sah sexy aus, aber auf eine unaufdringliche Art, als hätte sie sich eher für sich selbst fein gemacht als für jemand anderen.
Sie nahm die Lammfelljacke von Jekel, die sie mitgebracht hatte, und fuhr mit dem Aufzug in die Lobby. Ein paar von den Typen, die sich dort unterhielten, beäugten sie, als sie vorbeiging. Sie fragten sich wahrscheinlich, ob sie eine von den Promis war, für die das Hotel bekannt war. Sie war diese Reaktion gewohnt und registrierte sie normalerweise kaum, doch diesmal tat sie ihr gut. Sie ging weiter, ohne einen der Blicke zu erwidern.
Laut Midoris Webseite fand heute Abend das Letzte von vier aufeinanderfolgenden Konzerten im Zinc statt, einer Bar ganz in der Nähe. Das zweite Set begann erst in über einer Stunde. Reichlich Zeit, um einen Happen zu essen. Delilah entdeckte ein Lokal namens The Cupping Room, West Broadway Ecke Broome, wo genau die leise, dezente Atmosphäre herrschte, die sie suchte. Sie bestellte einen Salat und marinierte Lammkoteletts und ein Glas Rotwein von der Hausmarke. Sie dachte nach, während sie aß, kam aber zu keinem Ergebnis.
Als sie fertig war, ging sie die paar Blocks zum Zinc zu Fuß. Sie sah sich drinnen um, aber das zweite Set hatte noch nicht begonnen, und Midori war wohl irgendwo backstage. Halb rechnete sie damit, Rain zu sehen. Sie wusste nicht, wann genau er nach Tokio musste. Na, wenn er auftauchte, egal, sollte er doch denken, was er wollte. Sie hatte das gleiche Recht hier zu sein wie er.
Der Laden war fast voll, aber sie entdeckte einen freien Platz vorn im Raum, nicht weit
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