Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
lächelte leicht. Jetzt, da sie das öffentliche Gesicht kannte, würde sie umso eher wissen, wann sie sich zu der Privatperson dahinter durchgegraben hatte.
Der Typ in der Lederjacke kam herüber und sagte: »Ihre Verabredung hat anscheinend doch den Verstand verloren. Hätten Sie Lust auf einen Drink?«
Delilah lächelte. Sie wusste, dass er sie weiter beobachtet und registriert hatte, dass sie noch immer allein war. Es gefiel ihr, dass er es noch einmal versuchte. Jemand mit weniger Selbstvertrauen hätte vielleicht irgendwann einfach einen Drink zu ihr rübergeschickt. Das passierte ihr andauernd, und sie fand es furchtbar. Es war so erbärmlich, ein Versuch, jemandem aus sicherer Entfernung eine Verpflichtung aufzuzwingen.
»Danke, dass Sie gefragt haben«, sagte Delilah. »Aber ich treffe mich gleich mit ihm. Ich wollte vorher nur noch kurz mit Midori sprechen.«
»Okay …«, sagte er, das Lächeln weiter auf den Lippen, in der Hoffnung auf mehr.
Delilah lächelte ebenfalls, um ihm zu zeigen, dass sie geschmeichelt war – das hatte er verdient. Aber sie senkte auch den Kopf, um ihm zu verstehen zu geben, dass die Antwort endgültig war. Er sagte höflich gute Nacht und ging seines Weges.
Als die Schlange geschrumpft war, stand Delilah auf und ging hinüber. Sie wusste, dass Midori sie während des Konzerts bemerkt hatte und auch danach, und jetzt schenkte die Frau ihr ein Lächeln, teils zur Begrüßung, teils als Entschuldigung, weil sie sie hatte warten lassen.
Delilah erwiderte das Lächeln und sagte mit einem stärkeren Pariser Akzent als sonst: »Sie spielen einfach wunderbar. Ich bin so froh, dass Ihr Konzert ausgerechnet heute Abend stattfand, wo ich in New York bin.«
Midori sagte: »Danke. Woher kommen Sie?«
»Paris.«
»Sie haben in Frankreich von mir gehört? Ich bin geschmeichelt.«
Ja, das war meine Absicht.
»Ich habe Freunde in aller Welt, die mir Musik empfehlen«, sagte Delilah. »Eine Freundin in Tokio meinte, Sie würden mir gefallen, also habe ich mir Ihre CD Another Time übers Internet bestellt. Ich finde sie toll. Ich bin mehrmals im Jahr in Manhattan, aber es ist das erste Mal, dass ich es auf ein Konzert von Ihnen geschafft habe.«
Natürlich hatte Delilah sich vorher wie immer gründlich vorbereitet: den Namen von Midoris Album, dessen Verfügbarkeit im Internet und so weiter. »Was führt Sie nach Manhattan?«, fragte Midori.
»Ich bin Modescout für einige Pariser Boutiquen. Ich reise durch die Weltgeschichte und fotografiere Kleidungsstile, Kunst … alles, was die Pariser Designer inspiriert. Die geschäftlichen Meetings sind normalerweise in New York, Mailand …«
Die Geschichte stimmte sogar. Delilah hatte tatsächlich Beziehungen zu einigen Pariser Designern, und die benutzten tatsächlich ihre Fotos. Eine Tarnung war nicht viel wert, wenn man sie nicht auch lebte.
»Wow«, sagte Midori. »Das hört sich ja nach einem richtigen Traumjob an.«
»Ich kann nicht klagen. Aber im Vergleich zu dem, was Sie machen, kommt er mir langweilig vor.«
Midori lachte. »Na, jetzt übertreiben Sie aber.«
»Nein ehrlich. Ich würde Gott weiß was dafür geben, wenn ich so ein Talent hätte wie Sie.«
»Na ja, ich hab wohl auch keinen Grund zu klagen.«
»Wo haben Sie so spielen gelernt? Und wieso gerade Jazz? Ach, tut mir leid, Leute wie ich belagern Sie bestimmt andauernd.«
Attraktive, gebildete, faszinierende Frauen, die zehnmal lieber über Midori sprechen wollten als über sich selbst? Delilah bezweifelte das.
Midori lachte wieder. »Eigentlich nicht, nein.«
»Tja, ich würde furchtbar gern mehr über Sie erfahren. Ich weiß, es ist schon spät, und auch das erleben Sie wahrscheinlich ständig, aber hätten Sie vielleicht Lust auf einen Drink, hier irgendwo in der Nähe? Ich würde mich wirklich freuen. Ich heiße übrigens Laure.«
Midori überlegte kurz, dann sagte sie: »Ja, gern. Ich rufe nur rasch meine Kinderfrau an und frag nach, ob sie noch ein bisschen länger bleiben kann.«
Delilah hob arglos die Augenbrauen. »Oh, Sie haben Kinder?«
Midori nickte. »Einen kleinen Jungen. Moment.« Sie holte ein Handy hervor und entfernte sich ein paar Schritte. Kurz darauf kam sie zurück. »Okay, alles klar. Wie wär’s mit L’Angolo, gleich nebenan? Eine ganz gemütliche Bar.«
»Klingt toll.«
»Ich bin gleich wieder da.«
Delilah nickte. Midori verschwand hinter der Bühne und kam kurz darauf in einer kurzen schwarzen Lederjacke wieder. Sie gingen zur
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