Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
Information, die Delilah bisher herausgekitzelt hatte, war für sie enttäuschend gewesen, ja sogar schmerzhaft. Dennoch, da blieb diese Sache, über die sie in Paris nachgedacht hatte und die vielleicht schwerer als alles andere wog. Sie hatte vorhin einen zarten Vorstoß in diese Richtung unternommen, aber Midori hatte ihn abgeblockt. Nun, wenn es auf zartem Weg nicht ging. Sie konnte auch anders. Sie spürte das Adrenalin durch ihren Körper rauschen, als sie sich anschickte, ihre Deckung aufzugeben.
»Vielleicht zögert er, weil er weiß, dass er niemals ganz aus seiner Welt rauskann«, sagte Delilah und blickte Midori eindringlich an. »Und wenn er versucht, wie ein Zivilist zu leben, zusammen mit einer Zivilistin, dann wird er für sie immer eine Gefahr bedeuten. Und sie immer eine Gefahr für ihn.«
Midori schüttelte leicht den Kopf, als wollte sie ihn klar bekommen. »Was?«
»Wissen Sie, ein Mann wie Rain hat jede Menge Feinde.«
Midori blickte sie an. Ein schweigsamer Augenblick zog sich in die Länge.
»Und selbst wenn er aus diesem Leben rauskönnte«, fuhr Delilah fort, »wären seine Feinde noch drin.«
»Moment. Sie … kennen ihn?«
Delilah nickte. »Ich kenne ihn gut.«
»Sie … o Gott.«
»Hören Sie. Wenn Ihnen sein Wohl am Herzen liegt, aber auch Ihr eigenes und das Ihres Sohnes, dann sind Sie so schlau und halten sich von ihm fern.«
Midoris Augen verengten sich, und ihr Gesicht wurde bleich. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Sie falsche Schlange. Ich weiß nicht, wer Sie sind. Aber wenn Sie mein Kind je wieder bedrohen, dann spür ich Sie auf und bring Sie um, das schwöre ich.«
Delilah hob die Hände, als sie merkte, dass sie sich missverständlich ausgedrückt hatte. »Ich will niemandem drohen. Ich will nicht, dass Ihnen und Ihrem Sohn etwas passiert. Ich sage nur, dass Rain für die Menschen um ihn herum eine Gefahr sein kann. Haben Sie das nicht schon selbst gemerkt?«
Eine lange Pause entstand. Midori sagte. »Sie gehören also zu seiner Welt, richtig?«
»Ja.«
»Und … Sie sind irgendwie zusammen, ja?«
Delilah zuckte die Achseln.
»Dann … hat Jun Ihnen sicher von dem Kind erzählt und auch, dass er zu uns wollte. Und Sie sind hergekommen und haben mich mit Ihren Lügenmärchen ausgetrickst, weil Sie eifersüchtig sind. Liege ich da ungefähr richtig?«
»Ich bin heute Abend hergekommen, weil ich nicht will, dass irgendjemandem etwas zustößt. Sie und Rain zusammen, das ist die vorprogrammierte Katastrophe. Ich habe Sie auf dem Weg hierher beobachtet, und verzeihen Sie, aber Sie sind total arglos. Sie haben kein einziges Mal Ihre Umgebung überprüft, Sie haben nicht auf die Autos um uns geachtet, nichts. Wie ich schon sagte, ich bin keine Gefahr, aber was, wenn ich doch eine gewesen wäre? Was hätten Sie gemacht? Wollen Sie so mit Rain zusammenleben? Und wenn er sich wirklich auf so ein Leben einlässt, was glauben Sie wohl, wie lange er das überlebt?«
Midori sagte nichts. Delilah wusste, dass in ihrem Kopf jetzt die Gedanken wie ein Wirbelsturm tobten. Der Augenblick war gekommen.
»Außerdem«, sagte Delilah, »was für eine Zukunft können Sie mit ihm haben nach dem, was er Ihrem Vater angetan hat?«
Midori zuckte zusammen, als wäre sie geohrfeigt worden. Sie starrte Delilah einen Moment lang an, und der Schock und der Schmerz in ihren Augen waren unübersehbar. Dann verhärtete sich ihre Miene, und sie stand auf.
»Ich bin sicher, wir haben uns nichts mehr zu sagen«, sagte sie, drehte sich um und ging.
Delilah sah ihr nach. Sie fühlte sich plötzlich verunsichert. Vielleicht, weil die Frau so abrupt gegangen war. Vielleicht, weil ihr Abgang so würdevoll gewesen war.
Aber eines war jetzt klar. Rain hatte Midoris Vater getötet, und Midori wusste es. Der Ausdruck in den Augen der Frau hatte Bände gesprochen.
Genau das hatte Delilah in Erfahrung bringen wollen. Das ließ vermuten, dass Rains Bindung an die Frau etwas mit Schuld zu tun hatte, was handhabbar war. Und es ließ vermuten, dass dieses Riesenproblem immer zwischen Rain und Midori stehen würde, ganz gleich wie groß die Attraktion zwischen den beiden war.
All das waren gute Nachrichten. Sie trank ihr Glas aus und bat mit einem Wink um die Rechnung.
Gute Nachrichten, sagte sie sich erneut.
Warum also fühlte sie sich so furchtbar?
Midori tigerte in ihrem Wohnzimmer auf und ab. Digne war nach Hause gegangen. Koichiro schlief friedlich.
Sie fühlte sich missbraucht. Woher wusste
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