Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
die Frau das mit ihrem Vater? War sie an seiner Ermordung beteiligt gewesen? Nein, wahrscheinlich nicht, eine Blondine wie sie würde in Tokio auffallen, und außerdem hatte Midori das Gefühl, dass die Bekanntschaft zwischen der Frau und Rain eher jüngeren Datums war. Aber woher wusste sie dann Bescheid? Rain musste es ihr erzählt haben, eine andere Erklärung fiel ihr nicht ein. Mein Gott, gehörte so was für ihn zum Austausch von intimen Vertraulichkeiten? War sie das Thema ihres Bettgeflüsters?
Sie setzte sich und atmete tief ein und aus, versuchte, ein aufsteigendes Gefühl von Übelkeit zu unterdrücken. Der Gedanke, dass sie halb bewusst nach einer Möglichkeit gesucht hatte, Rain zu vergeben, beschämte sie mit einem Mal. Und er hatte nichts Besseres zu tun, als die Ursache ihrer Scham mit seiner neuen Geliebten zu diskutieren. Wie konnte er nur? Wie konnte er nur?
Sie versuchte, sich auf ihre Atmung zu konzentrieren, aber sie konnte sich nicht beruhigen. Warum war die Frau hergekommen? Um Midori abzuschrecken, so viel war klar. Um ihr zu sagen, dass Rain stets eine Gefahr für sie und Koichiro bedeuten würde. Von wegen sagen, verdammt, die Frau hatte es bewiesen. Wie lange war es her, seit Rain wieder in Midoris Leben aufgetaucht war – achtundvierzig Stunden? Und schon war ihm seine abscheuliche Welt auf den Fersen gefolgt.
Und warum hatte die Frau ihr erzählt, dass sie über die Sache mit ihrem Vater Bescheid wusste? Um genau diese Reaktion bei mir auszulösen, dachte Midori.
Doch diese Erkenntnis änderte nichts an der grundlegenden Tatsache, dass Rain über das intimste Geheimnis, das Midori sich vorstellen konnte, gesprochen hatte. Er hatte darüber gesprochen, als wäre es nichts weiter als ein ganz normales Problem, das er mit einer Frau aus seiner Vergangenheit gehabt hatte.
Sie beugte sich vor, presste die Augen fest zusammen und raufte sich die Haare. Sie hatte sich tatsächlich Hoffnungen gemacht. Tatsächlich. Das wurde ihr jetzt klar.
Vielleicht zog sie ja voreilige Schlüsse. Vielleicht hatte Rain der Frau nichts erzählt. Vielleicht hatte sie es irgendwie anders erfahren.
Aber das zählte nicht. Es zählte nicht mal, was die Frau gewollt hatte. Was zählte, war, dass sie die Wahrheit gesagt hatte. Rain war eine Gefahr. Und er würde es immer bleiben.
Sie wollte ihn raus aus ihrem Leben haben. Aus ihrem und aus Koichiros. Für immer.
16
A M NÄCHSTEN M ORGEN MIETETE ICH mit meinem Watanabe-Ausweis einen Van bei einer Autovermietung in Shinjuku. Anschließend kaufte ich ein paar zusätzliche Sachen: warme, dunkle Kleidung; wasserdichte Schuhe; Funkgeräte für den Fall, dass die Handys am Japanischen Meer keinen Empfang hatten. Den Rest des Tages schlief ich. Keine ideale Methode, um sich auf die örtliche Zeitzone einzustellen, aber ich brauchte die Ruhe, und Dox und ich würden ohnehin nachts arbeiten. Ich erwachte, als die Sonne unterging, und nachdem ich mich mit den üblichen Maßnahmen vergewissert hatte, dass mir niemand folgte, suchte ich mir draußen ein Münztelefon, um Kanezaki anzurufen.
»Hai« , sagte er wie gewohnt nach dem ersten Klingeln.
»Haben Sie alles, worum ich gebeten habe?«
»Ich hab alles da. Oplus-XT-CO 2 -Gewehr mit AN/PVS-17-Minizielfernrohr mit Nachtsichtfunktion, zwei SOCOM-HK-Mark23-Pistolen, beide mit Trijicon-Nachtvisier, AN/PEQ-Infrarotlaser-Zielmarkierer, Schalldämpfer von Knight’s Armament, Ersatzmagazin, hundert Schuss Federal Hydra-Shok-Munition und ein taktisches Oberschenkelholster, zwei AN/ PVS-7-Nachtsichtbrillen, für die CIA konstruierte G PS-Sender mit Magnethaftern für das unauffällige Anbringen plus dazugehörigem Monitor mit Kartensoftware. Das Einzige, was ich nicht besorgen konnte, waren die zehn Bolzen. Wir hatten leider nur noch fünf parat.«
»Scheiße«, sagte ich und fing an, den Plan im Kopf durchzugehen, um nach Möglichkeiten zu suchen, wie wir uns darauf einstellen konnten.
»Sie können von Glück sagen, dass wir überhaupt das Gewehr und die fünf Bolzen da hatten. So was wird überwiegend in Europa und dem Nahen Osten verwendet, um Bösewichte außer Gefecht zu setzen. Wir hatten nur deshalb noch eins da, weil irgendwer in der Botschaft wohl gemerkt hat, dass im Budget noch etwas Geld für Terrorismusbekämpfung übrig war und es aufbrauchen wollte.«
»Was ist in den Bolzen?«
»Irgendeine kommerzielle Variante von Succinylcholinchlorid. Eine kleine Sprengladung injiziert die Droge beim Aufprall,
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